Jan Oelker – Der getauschte Horizont
Bautzner Straße 49, 01099 Dresden, Deutschland
Pferde, Jurten und ein unendlich weiter Horizont prägen das Bild von der Mongolei, nicht nur als Klischee ausländischer Touristen. Der Lebensstil der nomadisierenden Hirten ist fest im Selbstverständnis der Mongolen verankert. Und das obwohl die moderne mongolische Gesellschaft Pferde als alltägliches Transportmittel längst durch Autos und Motoräder ersetzt hat, die meisten Mongolen statt in Jurten heute in Häusern aus Stein leben und der Horizont in den Siedlungen meist verbaut oder – besonders in Ulaanbaatar − durch Smog verschleiert ist.
Die Viehzucht war bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts der bestimmende Wirtschaftszweig in der Mongolei. Die Kollektivierung in der sozialistischen Periode und die Privatisierungen in der Zeit nach der Wende führten dazu, dass gegenwärtig rund zwei Drittel der Bevölkerung in Städten und stadtähnlichen Siedlungen wohnen. Allein in der Hauptstadt Ulaanbaatar lebt fast die Hälfte der 3,3 Millionen Staatsbürger. Wer teilhaben will am modernen Leben, wer etwas erreichen will in dem dünnbesiedelten Land, versucht sein Glück in der Hauptstadt.
Mit dem Wechsel der politischen Systeme änderte sich auch die Arbeitswelt. Die wichtigsten Wirtschaftszweige sind heute der Dienstleistungssektor und der Bergbau und das forciert die Notwendigkeit für den Aufbau einer modernen Infrastruktur. In den Siedlungen und Städten wird viel gebaut, die Jurten weichen Ziegelbauten. Der Warenverkehr erfolgt zum überwiegenden Teil mit LKW noch auf einem Netz aus „wilden“ Pisten. Seit 2013 läuft ein Regierungsprogramm zum Ausbau von Asphaltstraßen, das die ländlichen Gebiete näher an die Hauptstadt anbinden soll.
Das Gleiche gilt auch für die digitale Infrastruktur. Längst stehen vor jeder Jurte eine Solarzelle und eine Sattelitenschüssel. Das Mobilfunknetz ist zumindest in der Nähe von Siedlungen gut ausgebaut und in den Gebietszentren ist öffentliches W-LAN-Netz verfügbar. Und es gibt in der Mongolei mittlerweile nicht nur mehr Pferde, sondern auch mehr Handyverträge als Einwohner. Mit dem Zugang zu Mobilfunk und Internet rücken selbst die Jurten fernab der Siedlungen näher an die Hauptstadt und die Welt. Ihren Bewohnern bringt das einen weiteren Horizont.
Für das Projekt Vertovism – WorldWideWork hat Jan Oelker exemplarisch Fotoserien von drei Arbeitsbereichen ausgewählt, die den Bogen von der traditionellen Arbeitswelt der Hirten in die moderne Arbeitswelten der Siedlungen in den Bereichen Bau und Verkehr spannen.
Jan Oelker fotografiert seit Mitte der 1980er-Jahre in den Ländern der früheren Sowjetunion und des ehemaligen Ostblocks. Den Fokus seiner Fotografie setzt er auf die Beziehung von Mensch und Umwelt und den Wandel des Alltags durch die Transformationsprozesse in den Gesellschaften. Im Jahr 2013 reiste er zusammen mit Freunden mit einem Robur in die Mongolei. In den weit verstreuten Siedlungen erlebten sie die Gastfreundschaft der Hirten und bekamen Einblicke in den Lebensalltag der Menschen in den ländlichen Regionen, der sich so sehr von dem in der Hauptstadt Ulaanbaatar unterscheidet.
Die Ausstellung ist der erste Teil des von der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, der Stadt Dresden und in Kooperation mit Morphonic Lab 2019 geförderten Projektes VERTOVISm-WORLDWIDEWORKnoise.
Gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des von den Abgeordneten des Sächischen Landtags beschlossenen Haushalts.