Wunder geschehen – man muss nur lernen, sie zu sehen.
Im Oktober 2022 öffnete der Verein Kultur Aktiv seine Türen für Menschen aus der Ukraine – für jene, die durch den Krieg ihre gewohnte Welt, ihr Zuhause und ihre Freunde verloren hatten. Viele von ihnen standen plötzlich vor dem Nichts, ohne Dach über dem Kopf, doch mit dem tiefen Wunsch, weiterhin zu schaffen und zu gestalten. Jeden Mittwoch versammelten sich Unbekannte an einem großen Tisch. Sie teilten ihre Geschichten, sprachen über Schmerz und Hoffnung – und sie nähten. Mit bloßen Händen und kleinen Stoffstücken erschufen sie Bilder, Stück für Stück. Die Idee dazu brachte Yuliya Firsova, eine Lehrerin aus Odessa, mit. Früher nähten unsere Großmütter Decken aus Stoffresten alter Kleidung – aus dem Alten wurde etwas Neues geboren. In jenen Tagen ähnelten wir selbst diesen kleinen Stoffstücken: zerstreut über die ganze Welt, entwurzelt, getrennt von allem Vertrauten. Mit jedem Treffen wuchsen wir enger zusammen. Ein neues Netzwerk von Freunden und Wegbegleitern entstand. Und aus den einzelnen Fragmenten entstanden einzigartige Kunstwerke.
Jede Arbeit erzählt ihre eigene Geschichte vom „Zuhause“: Für manche ist es das endlose Blau des Meeres, für andere ein duftendes Blumenfeld oder kleine ukrainische Häuser. Diese ersten Bilder hängen noch heute in der Galerie – und laden alle Besucher ein, innezuhalten und zu fühlen. Unsere Treffen zogen viele Menschen an, die uns mit Materialien, Garn, Nadeln, freundlichen Worten und ihrer Unterstützung halfen. Dafür sind wir unendlich dankbar.
Zwei Jahre, gefüllt mit Ideen, Begegnungen und Workshops, sind vergangen. Heute kehren wir zu unserer ersten Inspiration zurück: den Bildern aus Stoffstücken. Doch inzwischen sind es nicht nur Erinnerungen an das verlorene Zuhause – sie sind zu einer Form echter Kunst gewachsen. Taucht ein in die Geschichten der Menschen, die mit Herz und Hand diese einzigartigen Werke geschaffen haben.
Begleitet uns, auf unserer Reise – wir freuen uns auf euren Besuch!
Stimmen aus dem Näh-Café
Ich bin Ljudmyla.
Die Zeit vergeht so schnell – kaum zu glauben, dass mein Weg bereits in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts begann. Geboren wurde ich in der kleinen, malerischen Stadt Tschuhujiw in der Region Charkiw, im Nordosten der Ukraine.
Meine Kindheit, die Jahre im Kindergarten, in der Schule und später im Institut, verbrachte ich in Charkiw – einer wunderschönen und lebendigen Stadt. Von Beruf bin ich Elektroingenieurin für Kraftwerke und Umspannstationen.
Als mein Bruder und ich noch klein waren, verloren wir unseren Vater. Unsere Mutter zog uns allein groß – in einer Zeit, in der es an allem fehlte: an Lebensmitteln, Kleidung und Wohnraum. Unsere Generation lernte deshalb, sorgsam mit allem umzugehen – besonders mit Stoffen, aus denen Kleidung genäht wurde. Kein Stoffrest wurde weggeworfen. Die kleinen Stücke waren für uns Kinder bestimmt – für die Kleidung unserer Puppen.
Meine Großmutter bestickte mit viel Liebe Hemden für ihre Söhne und Enkel, für mich nähte sie Kleider – mit Kreuz- und Plattstich. Schon als Schülerin begann ich, meine Kleidung selbst zu nähen – später nähte ich auch für meinen Mann, meine Kinder, meine Mutter und andere Verwandte.
Ich liebe Bücher, klassische Musik, Theater, Museen, Reisen und die Blumenpflege. Die Idee, Stoffreste für kreative Projekte zu verwenden, hat mich sofort angesprochen. So fand ich den Weg zur Gruppe „Loskutotschky“ („Näh-Café“) – einem Kreis talentierter Frauen, die sich hier aus innerem Antrieb treffen, um gemeinsam Schönes zu schaffen und Freude zu erleben.
Vielleicht inspiriert unsere Arbeit auch andere.
Ljudmyla
Offene Galerie
In unserer Ladengalerie Galerie nEUROPA präsentieren wir nicht nur Ausstellungen zeitgenössischer Fotograf:innen mit Bezug zu Ost- und Südosteuropa – – sondern der Raum steht auch für eure Workshops, Seminare, Begegnungstreffen, Kaffeerunden, Spieleabende und vieles mehr… zur Verfügung.
Zeitraum
seit 08.2022
Projektkoordination
Mitarbeiter:innen der Geschäftsstelle
Projektbeteiligte
Yuliya Firsova (Näh-Café, seit 2022), Viktoriia Borysiuk (Kunst und Meditation, seit 2023), Laura Schulze (Pilzwanderung, 2023) und weitere Freiwillige
Gefördert durch
Das Projekt wird gefördert durch das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt. Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes im Rahmen des Förderprogramms »Wir für Sachsen«.