Angehende Kommissare forschen zu DDR-Geschichte – Auftakt im ehemaligen Stasi-Untersuchungsgefängnis Dresden
Am Folge-Tag der Deutschen Einheit fand der Auftakt-Besuch einer Gruppe sächsischer Studenten der Polizeihochschule in der Gedenkstätte Bautzner Straße Dresden im Rahmen des Projektes „zusammen.HALT“ statt. Das Datum lenkte den Fokus des Projekttages auf die Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs in Ostdeutschland seit 1989. Den angehenden polizeilichen Führungskräften wurde ein differenziertes Bild vermittelt, wie in der DDR versucht wurde, Konformität auch unter Zwang herzustellen, und wie restriktive und repressive Maßnahmen die individuellen Freiheitsrechte der Bürger einschränkten. Die weitere Studienarbeit an der Hochschule der Sächsischen Polizei in Rothenburg wird darüber hinaus die Dresdner Oktobertage 1989 in den Blick nehmen. Das Treffen ist Auftakt einer neuen langfristigen Kooperation zwischen der Hochschule der Sächsischen Polizei mit der Gedenkstätte Bautzner Straße und Teil des neuen Projekts „zusammen.HALT“ zusammen mit dem Dresdner Verein Kultur Aktiv.
„Durch die enge Zusammenarbeit mit der sächsischen Polizeihochschule werden wir unsere pädagogischen Angebote den Bedürfnissen dieser wichtigen Zielgruppe besser anpassen können – so beispielsweise ein Rollenspiel zur Transformationszeit entwickeln, welches auch das Agieren der Polizei im Herbst 89 thematisiert,“ so Uljana Sieber, Leiterin der Gedenkstätte Bautzner Straße. Polizeirat Sven Fischer, Leiter des Polizeireviers Dresden-Nord, unterstrich das Verständnis historischer Zusammenhänge für eine wertebasierte Ausbildung der Polizei und stellte zugleich Überlegungen für ein Polizeimuseum Dresden vor. In einem anschließenden Zeitzeugengespräch schilderte Polizeihauptkommissar Lutz Wodarsch eindrücklich seine Zeit bei der Bereitschaftspolizei der DDR, seinen Einsatz im Oktober 1989 unter anderem im Hauptbahnhof Dresden und seine späteren Erkenntnisse: „Die DDR war meine heile Welt.“ Als sein Kompaniechef jedoch vom Schießen sprach, verweigerte sich der junge Mann: „Das mache ich nicht!“. Es folgte ein allmählicher und langer Prozess des kritischen Hinterfragens des DDR-Systems. Dieser individuell erfahrene Zwiespalt eines Polizisten, der die „Wendezeit“ auch im Dienst persönlich miterlebte, wird die angehenden Kommissare auch weiter beschäftigen. Zudem wurden sowohl das Verhältnis der Volkspolizei zum Ministerium für Staatssicherheit (MfS) als auch die Oktoberereignisse 1989 zwischen Eskalation und dem „Dresdner Modell“ des Dialogs diskutiert. Insbesondere wurde der 8. Oktober 1989 thematisiert, als Demonstranten auf der Prager Straße das Gespräch mit der Polizei begannen und sich darauf die „Gruppe der 20“ bildete. Aus den Tagen der Gewalt führte dieser Weg in eine friedliche Revolution.
Bei „zusammen.HALT“ wird mit vielen lokalen Akteuren, Jugendlichen und Zeitzeugen gearbeitet, aber auch mit weiteren Partnern aus Sachsen und den renommierten Organisationen „European Solidarity Centre“ (Gdańsk, Polen) und „Post Bellum“ (Prag, Tschechien). „So können wir unsere internationale Perspektive mit einbringen“, sagt Simon Wolf, Geschäftsführer von Kultur Aktiv und Impulsgeber des Projekts. „Die DDR war ein Teil des ‚Ostblocks‘, die ‚Wende‘ Teil einer gesamteuropäischen Transformation“, so Wolf weiter.
Das Projekt „zusammen.HALT“ in Trägerschaft der Gedenkstätte Bautzner Straße und in Kooperation mit Kultur Aktiv wird gefördert durch das Bundesprogramm „Jugend erinnert“ zur Aufarbeitung des DDR-Unrechts und hat eine Laufzeit bis Ende 2023.
Pressekontakt
Marcus Oertel, marcus.oertel@kulturaktiv.org, +49 163 1706227
Kontakte zu den Projektbeteiligten können für Berichte, Interviews oder Rückfragen vermittelt werden.
Weitere Informationen
- https://kulturaktiv.org/zusammen-halt-foerderung-bewilligt/
- https://www.stsg.de/cms/stsg/aktuelles/gedenkstaette-bautzner-strasse-dresden-und-kultur-aktiv-ev-vermitteln-mit-projekt