Im östlichsten Teil von Sachsen in der Oberlausitz sind die Menschen steinreich! Reich an Steinen. Mit der Industrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhundert wurde der Granit in der Lausitz abgebaut und gab vielen Menschen einen Arbeitsplatz. Granit ist seitdem ein gefragtes Baumaterial. So entstanden zwischen Kamenz und den Königshainer Bergen unzählige Steinbrüche.
Als Görlitzerin fällt mir zum Thema Granit immer der Neißeviadukt ein, als eines der imposantesten Bauwerke unserer Region. Hier wurde auch der Granit der Region verbaut, der gute blaue Königshainer Granit. Die 475 Meter Granit wurden größtenteils vom Limasberg, Schwalbenberg und Totenstein aus den Steinbrüchen gewonnen. Der Viadukt wurde 1847 mit der Eisenbahnstrecke zwischen Görlitz und Kohlfurt eröffnet.
Schon unser Eltern und Großeltern lernten in der Schule den Spruch „Feldspat, Quarz und Glimmer – die drei vergess´ ich nimmer!“ Das sind die drei Bestandteile von Granit und Granodiorit, die zur Gruppe der Magmatischen Steine gehören, welche die Oberlausitz zu einen Großteil noch heute prägen. Das Gestein wird von oben nach unten abgetragen, so dass wir heute noch eine Vielzahl von schon stillgelegten Steinbrüchen sehen können. Es sind teils auch beliebte Badeorte, die jedoch sehr gefährlich sein können. So ein Steinbruch geht nicht gerade hinunter, sondern hat viele Absätze an, an denen die Steinarbeiter an Leitern nach unten gegangen sind. Einige der stillgelegten Steinbrüche in der Oberlausitz gehören zur Sächsischen Industriekultur. Im Jahr 2020 feiert Sachsen das Jahr der Industriekultur und macht auf versteckte Orte aufmerksam. Dazu zählt auch das Granitabbaumuseum Königshainer Berge, wo man die Arbeit eines Steinarbeiters sehr schön kennenlernen kann. An einzelnen Hörstationen kann man den Geschichten vergangener Tage lauschen. Anja Köhler, die Leiterin des Granitabbaumuseums Königshainer Berge, hat hier die letzten noch lebenden ehemaligen Arbeiter aus den Königshainer Steinbrüchen zu Wort kommen lassen und hat damit der nächsten Generation ein Stück lebendige Geschichte vermacht. Das Besondere an den Steinbrüchen war, dass 1975 zu DDR-Zeiten die Brüche schließen mussten, weil der Blaue Granit zu Neige ging.
Wie wurde aber in einem Steinbruch nach 1945 gearbeitet? Man konnte einem älteren Herren lauschen, der etwas von seinen Lehrjahren erzählte.
„Ich ging in die Königshainer Steinbrüche, um das Pflastersteinschlagen zu erlernen. Während der Lehrzeit mussten wir die Steine noch mit den einfachen Pflasterhämmern spalten. Während die älteren Kollegen bereits mit dem Presslufthammer arbeiteten. Am Anfang habe ich mir mit dem Hammer so oft auf den Daumen geschlagen, dass er fast nur noch wie ein formloser Klumpen aussah. Die Finger und Handflächen hatten tiefe und schmerzhafte Risse, vor allem im Winter.“
Die angehenden Steinarbeiter lernten aber nicht nur, wie man Steine spaltete (spellen), sondern auch das richtige Trinken von Schnaps und Bier musste gelernt sein. „Man musste den Steinstaub ja runterspülen“, merkte ein anderer Kollege an. Beim Zuhören der Audiodateien musste ich schon oft schmunzeln. Man merkte, dass die Arbeit in der Brigade Spaß gemacht hatte, auch wenn es eine schwere Arbeit war. Von den Steinarbeitern wurde immer wieder erwähnt, dass der Arbeitsschutz sehr wichtig war, auch wenn bis 1975 manchmal Mangel an Materialien herrschte.
„Wegen dem Staub musste man immer Masken tragen. Das waren Frischluftmasken, im Winter wurden diese auch mit warmer frischer Luft betrieben. Da wurde richtig darauf geachtet. […] Wir mussten einen Helm tragen. Wenn man im Sommer bei 45 Grad im Steinbruch keinen Helm aufhatte, weil es zu heiß war, hat man gleich einen blauen Zettel bekommen. Er sollte vor Steinschlägen schützen, aber wenn ich vor Hitze 6 Meter in die Tiefe falle, hilft mir der Helm auch nicht. So war das halt.“
Man stelle sich heute das Brummen, Kreischen, Hämmern, Sirenenheulen vor und irgendwo weit da hinten das dumpfe Klopfen und Rufen der Kumpels. Dann wird auch heute bewusst, dass die Gehörschutzwatte wichtig war. „Die Gehörschutzwatte musste man in normale Watte hineinstecken und dann in das Ohr schieben.“ Es wurde zu jeder Jahreszeit gearbeitet. „Im Sommer hat man geschwitzt und im Winter hat man gefroren. Da haben alle immer fort gearbeitet, damit man nicht friert, damit wir warm blieben. Handschuhe, Lederschürzen und Schuhe. Für den Winter Gummistiefel mit Filzeinsatz. Arbeitsschutzmäßig war man schon ganz gut versorgt!“
Granit ist ein Werkstein, der viel für den Straßenbau eingesetzt wird. Auf einer guten Pflastersteinstraße fährt man zwar am Besten nur mit 30 km/h, damit die Insassen im Auto nicht zu sehr durchgeschleudert werden. Jedoch können diese Straßen bis zu 1000 Jahre halten. Wie komme ich nun zu einem Pflasterstein? In den 50er wurden Löcher gebohrt, dann mit Sprengpulver gefüllt, um das Gestein zu sprengen. Auch heute wird der Granit noch gesprengt, nur nutzt man dafür andere Sprengmittel. Die Sprengung fand immer über die Frühstückspause, Mittagspause oder über den Feierabend hinaus statt. Der Sprenger war der Letzte, der den Bruch verlassen hat. „Meistens war er unter dem Kipper und dann hatte es ganz laut geknallt. Es war immer noch jemand dabei, für den Fall das ihm was passiert wäre.“ Um den Stein rauszubekommen, wurden Gassen gemacht, sonst hätten die Arbeiter den Stein gar nicht rausbekommen. „Eine Frau hat mit einer Hacke, den Dreck rausgeholt – war wie Schotter –, dadurch wurde der Stein dann freigelegt. In der Größe wie ein Tisch wurde der Granit dann an die Kette drangehangen. Der Kranfahrer brachte ihn dann nach oben, dann wurden er abgefahren und kam auf die Lore. Der Stein kam unter die Buden und wurde mit dem Hammer oder später auch mit dem Presslufthammer in Streifen gemacht, 20×20. Daraus wurden dann Pflastersteine gemacht. Natürlich erst mit Hammer und Meißel und später in den 60ern hatte man dann schon die Pressen 30- und 40-Tonner zum Spellen.“
Es gibt in der Lausitz nicht nur den Königshainer Granit, sondern auch den Lausitzer Granit, im geologischen Sprachgebrauch nennt man es den Lausitzer Granodiorit. In Demitz-Thumitz am Jungfernstein hatte Matthias Wenzelaw seine Lehre zum Natursteinbearbeiter begonnen und bis zur Wende im gleichen Steinbruch gearbeitet. Heute mit 57 Jahren macht ihm seine Arbeit noch immer Spaß. In den folgen Zeilen kann man die Leidenschaft für die Arbeit im Steinbruch spüren und erfahren, warum es ihm wichtig ist, dass wieder mehr Nachwuchs ausgebildet wird. Sonst verliert die Oberlausitz eine jahrhundertealte Industriekultur.
„Angefangen hat es damit, dass es viele Steinbrecher bei mir im Dorf gab. Da gab es einen Mitarbeiter, der war in der Verwaltung. Dieser kam auf mich zu, weil ich mich bis kurz vor dem Lehrbeginn noch nicht richtig entschieden hatte. Er kam zu mir und fragte mich, ob ich denn nicht Interesse hätte, nach Demitz in den Steinbruch zu kommen. Es ist nah. Ich wollte eigentlich erst zur LPG gehen, durch meinen Vater. Dort mit im Kuhstall oder so zu arbeiten. Jetzt bin ich nicht böse, dass ich es nicht gemacht habe, weil es ja im Steinbruch super war. Dort habe ich dann 1,5 Jahre als Natursteinbearbeiter gelernt. Also nicht Steinmetz, der höhere Begriff, Natursteinbearbeiter. Wir haben uns in den Jahren vieles beigebracht.
Wir haben angefangen unter so einem Dach. Da haben wir einen Stein rein gekullert bekommen. Das war so 1,50 m x 1 m und die haben wir dann auseinander genommen. Zum Beispiel Sockelsteine, sind 40x40x20 und dort dürfen drei Seiten keine Keillöcher haben. Man musste schon ein bisschen nachdenken, es war nicht einfach nur darauf rumkloppen. Und dann eben auch Pflastersteine. Die waren 17 cm x 17 cm, das war Großpflaster, die kleinen wurden ja sonst nicht produziert. Da haben wir dann als Nebenprodukt zum Beispiel Mauersteine. Ansonsten haben wir auch Possensteine gemacht, die mussten natürlich richtig angeschlagen sein. So dass sie richtig gerade sind, dass sie Fuge an Fuge aneinanderpassen. Ansonsten war da im den ersten Lehrjahr, wo wir da unter dem Dach waren und diese Werksteine gemacht haben, da war nicht viel Aufregendes. Das ging dann erst so richtig los mit dem dritten Lehrhalbjahr, da ging es dann in den Bruch. Erst ab 21 Jahren durfte mit Pressluft gearbeitet werden. Da haben die ganz schön aufgepasst. Ich war zum Beispiel eine Ausnahme, ich war zu gut, um bis 21 warten zu müssen. Ich habe mit 19 schon zärtliche Versuche mit dem Ding gemacht. Das heißt, ich habe schon richtig Gas gegeben. Da wurde eine Gasse geschossen, in der wurde Felsen abgebohrt, 50 Meter lang mal 30 Meter breit. 2 Meter hoch wurden Reinschüsse gesetzt, die wurden dann bestückt und locker gesprengt. Also mit Schwarzpulver, schonend. Eine Detonationsschnur hatten wir dann auch, aber das war erst die letzte Zeit, erst Schwarzpulver. Die Detonationspur wurde genommen, wenn es geregnet hatte. Das macht der Detonationspur nichts aus. Man hat da einen Knoten rein gemacht und zugemacht, an zwei Zünder also vorne und hinten. Und boom, dann hat es den Stein aufgerissen. Wir haben das leider nicht weiter dokumentiert.“
Wie war es denn für dich, als du den ersten Tag in den Steinbruch warst? Kannst du dich daran noch erinnern?
Eigentlich, muss ich mal sagen, ganz erhebend. Den ersten Tag haben wir ja noch nicht gearbeitet. Ja, wie überall Belehrung und Unterweisung, alles sowas. Das ging dann langsam los, am zweiten Tag am Mittag. Die Maschine erklären – auf keinen Fall hier unten reinfassen, wo das Eisen ist, da ist der Finger ab – das haben wir halt gleich als Erstes mitgelernt. Alles rund um den Arbeitsschutz, wie Arbeitsschutzschuhe, Arbeitsschutzbrille und Maske. Dann hatten wir ja Absauggeräte zum Staubabsaugen, das war gut. Was dann im Bruch eigentlich gar nicht mehr da war. Da gab es dann fix eine Staubmaske, die wurde dann aufgesetzt, wenn sehr viel Smog war oder Nebel. Wenn es richtig schön war, da zog der Dreck auch nicht ab. Ich habe meistens eine aufgesetzt. Da wurde ich immer etwas belächelt, weil du bekommst schwer Luft. Man muss sagen, das geht aufs Herz. Bis jetzt lebe ich noch und ich habe auch super Werte. Wenn du arbeitest, dann setzt man die auch mal ab. Wenn du mit dem Bello arbeitest, also Bello heben und draufhauen. Du musst ja mit Wucht draufhauen. Weißt du nicht nur fallen lassen wie es so manche machen auf dem Rummel, sondern richtig mit Wucht darauf schlagen. Dass es auch Wirkung zeigt.
Wie habt ihr das gelernt, dass ihr wisst, dass da die Sollbruchkannte ist?
Du kannst das über den Stein lernen. Ich war ja nun wirklich nur über den Jungfernstein ausgebildet. Da gibt es physikalische Gesetze von einem Stein. Du kannst den nicht spellen wie du willst, du musst schon was einhalten. Zum Beispiel ist in Demitz die Gang- und die Heberichtung, die beste Spellrichtung. Dann kommt die Quere. Die Quere bedeutet, dass der Stein gezwungen wird dort zu reißen. Also wenn der Stein einen Meter breit war, musstest du natürlich auch beachten, von wo du aus rein spellst, denn da gab es einen Morgenkopf und einen Abendkopf. Dies ist die Schubrichtung. Du musst dich dann so hinstellen, da ist dies der Morgenkopf, der schiebt immer nach der linken Seite. Wenn du vom Abendkopf aus spellst schiebt er nach der anderen Seite. Kommt immer darauf an. Es gibt aber auch einen Stein, der hat gar keinen Schub. Wie in Kamenz, wo ich zuletzt war, da ist es umgedreht. Da ist die Sohle, also die Hebe, Tafel sagen die, ist die beste Spellseite. Geht am besten. Den zwingst du am leichtesten. Da brauchst du nicht wie bei uns in Demnitz, da haben wir gebohrt und dann ein extra Eisen reingefeuert, dass er dann Ränder oder Narben hatte. Wo dann eine Fräse, eine Sprengrichtung schön reingemacht wurde. Das haben wir da gebraucht. In Kamenz habe ich einfach nur ein Loch gebohrt, da wollten sie immer so 1,30 Meter. Das habe ich dann auch meistens gemacht, dass ist aber anstrengend. Bohrst du alleine, rammst du dir die Maschine in den Bauch und drückst mit den Armen. Das haben wir auch geschafft. Dies ist dort die beste Spellrichtung, die Tafel. Und bei uns gibt es keine Tafel, das heißt dort eben Tafel.
Was ist denn der Unterschied zum Sprengen, zu DDR-Zeiten, als du es gelernt hast und heute?
Also bei uns zu DDR-Zeiten wurden viele schonende Sprengungen gemacht für Werksteine. Auch in Kamenz haben wir das gemacht, schonend gesprengt – Tonberg, immer wieder Kamenz. Wie zum Beispiel jetzt in Demitz-Thumitz werden einfach nur Löcher gebohrt, vielleicht wollen die 6 Tonnen Haufwerk dort zusammenknallen mit einem Schuss. Mit 20 000 Liter Flüssigsprengstoff aus der Tschechei. Das zünden die und haben dann für ihr Löcher Futter zum Bestücken. Die machen kein Pflastersteine. Mit dem Gestein ist es eigentlich nicht machbar. Die haben dann auch gute Sohlen – es sind ja jetzt auch einige Steinbrüche, die jetzt mit integriert werden, alte Steinbrüche, wo noch Wasser drin ist. Die werden dann langsam mit weggemacht. Dann sind da auch noch ein paar gute Sohlen mit drin. Das wird dann aber meisten so gebohrt, dass es in Kleinteile auseinander fliegt.
Wie lange habt ihr in der Ausbildung gearbeitet?
Oh, so 8 Stunden. Das mit der Verpflegung war alles ganz anders. Frühstück hast du dir schon eine Wurst gekauft. Mittags gab es aus der Kantine, das hat so wahnsinnig gut geschmeckt. Das war früher so super. Das bekommen die heute in der Großkantine gar nicht mehr so hin, das ist doch nur noch alles Fast Food. Von um 9 Uhr 20 Minuten Frühstück und 20 Minuten Mittag. Von dem Essen wurde aber auch viel abgelaufen. Wenn ich an den Jungfernstein denke. Da mussten wir aus dem Bruch raus, da bist du gefühlt einen Kilometer zum Frühstück gelaufen. Das erste Mal bist du von der Kantine um 6.30 los und warst um 7 Uhr im Bruch. Dann haben wir bis halb 9 gearbeitet. Dann bist du wieder raus aus dem Steinbruch. Erstmal die 120 Treppenstufen hoch in die Kantine, dann gegessen, dann bist du wieder eingefahren. Dann bist du wieder raus zum Mittag, auch wieder die 25 Minuten Mittag, dann wieder im Bruch. Da hast du auch immer wieder 20 Minuten verlaufen. Das war uneffektiv hoch drei. Einen Fahrstuhl hätte es geben sollen, na ja, das hat sich wohl eben doch nicht gelohnt. Und zum Feierabend dann dasselbe Prozedere wieder. Raus, umziehen und duschen und nach Hause. Trotzdem war es nicht schlecht, das würde ich mal so sagen.
Nach der Ausbildung, wo bist du dann hin? Bist du dann dort geblieben?
Ich habe gelernt in Demitz und bin dann auf dem Jungfernstein und Kanzel geblieben, ungefähr 10 Jahre war ich im Abbau, ohne die Lehrzeit. Ich habe den Ausweis hier. Dann kam die Armee, ich musste dann nur noch 9 Monate, weil ich in der Wendezeit war. Dann bin ich zurück und wieder in den Steinbruch und dann kam ein Aufruf aus dem Westen. Da wurden Leute gesucht. Dann waren wir ein halbes Jahr über den Lausitzer Granit, gehörte immer noch zu Arbeit in Demitz. Wir wurden da wahrscheinlich nur verborgt. Ich weiß nicht, was die da kassiert haben. Danach im Westen kam dann ein Brief, wurden wir angesprochen, wir sollen doch die Seiten wechseln. Wir sollen uns jeder eine Wohnung suchen, „Arbeit bekommt ihr hundertprozentig“. Gut, ich habe es gemacht, ich bin im Januar dahingefahren, als das alte Arbeitsverhältnis erloschen war. Bin ich dann da hin und habe mir eine Wohnung gesucht. Diese lag im Kölner Raum – Köln Gummersbach. Ich wurde dann dort als Säger eingestellt. Eigentlich kein schöner Beruf, nass und dreckig wie sonst etwas.
Was macht die Arbeit für dich aus?
Na, an der frischen Luft, immer an der frischen Luft. Manchmal vielleicht die Nase erfroren oder die Beine waren kalt. Es gab ja manche Tage im Winter, da bist du in den Steinbruch gefahren, wie ´78. Wir haben da wochenlang nichts anderes gemacht als nur Schnee schippen. Am Tag haben wir die Gleise frei gemacht für die Bahnen zum Transportieren der Steine und sonst alles Mögliche. Gesalzen haben wir dann, wenn es etwas milder war. Dann kam der nächste Schneeeinbruch. Hast du dich den nächsten Tag mit dem Motorrad wieder hin gekämpft oder mit dem Bus. Der Bus der fuhr bis 3 Kilometer vor meine Arbeitsstelle, da war dann Schluss. Da musste ich dann durch den Winterwald laufen. Also drei Kilometer waren es schon, manchmal war es schon schön, aber als Lehrling war es schon herrlich. Man konnte zwar nicht die ganze Zeit im Bett herumliegen, aber das war schon nicht schlecht. Mit meinem Moped und dann Motorrad war das eigentlich schon ganz nett. Bloß heute wird das bei einer Firma anders gemacht, denn zum einen ist die Unfallgefahr ziemlich hoch und zum anderen, wer will hier Schnee schippen. Wie will der Unternehmer das abrechnen? Wir waren auf Durchschnitt dort, da war es egal, ob du Schnee geschippt hast oder … Du warst da und dann waren wir wahrscheinlich in der Überwachung. Die haben gesehen, die sind alle da, keiner bummelt oder der nächste brachte den Krankenschein. Das war egal, Hauptsache die waren nicht zu Hause, sondern waren arbeiten. Und das ist Mumpitz, das war totale Überwachung, das ist meine Meinung.
War das der harte Winter, wo alles ausgefallen ist?
Das ist, was sie sonst nur immer von der See bringen, aber bei uns war es ähnlich. Bloß dass wir nur nicht ganz diese extremen Stürme und diese Straßenverwehungen hatten, weil es ja freizumachen ging. Die hatte es ja dort kalt erwischt und bei uns hatte es sich ja angebahnt. Wenn du hier eine Woche lang nur Schnee schippen musst, dann weiß ich nicht. Manchen Tag warst du auf Arbeit, warst du dann so fertig vom Schneeschippen. Da hast du dich dann am Abend gefragt, du blöder Hund, was wolltest du jetzt heute eigentlich dort? Erstmal hast du dich auf dem Motorrad hin gequält, wie oft bin ich im Winter gestürzt. Ja, das war so lustig, da gibt es Begebenheiten, da biege ich in Demitz ab, wo die alte Steinsäge ist, und will bei mir auf den Jungfernstein hochfahren. Also Demitz-Thumitz hoch, lag ich mitten auf der Kreuzung und keiner hatte mir geholfen. Erst mal haben sie mich zu Haus, meine Mutter, wie einen Russen angezogen. Wie die Russen-Offiziere rumgerannt sind, mit einer dicken Jacke, da konntest du schon irgendwo hinfallen. Das tat dann nicht weh und dann wadenhohe Filzstiefel. So bist du dann mit dem Motorrad auf Arbeit gerammelt. Super Zeit trotzdem, würde heutzutage niemand mehr machen. Alle rein ins Auto und ab.
Wie war es eigentlich im Sommer?
Schweineheiß! Im Winter kalt. Wir waren dann manchmal so spaßige Affen, da haben wir irgendwo den Weihnachtsbaum aufgestellt mitunter auch mal ein Schnäpschen getrunken. Im Sommer hast du mehr oder weniger geschaut. Mhm mein Arbeitsplatz, ich habe jetzt mehr oder weniger bis zum Mittag habe ich Halbschatten. Da machst du bis Mittag ein bisschen wilde Sau und dann verhältst du dich etwas ruhiger. Dann lässt du die Steine ziehen, wenn es klappt mit dem Bohren, sonst sind andere dann. Wenn nicht, dann bleibt es eben. Oder tust etwas machen, wo du dich verstecken kannst. Zum Beispiel an die Steilwand gehen, Selterswasser trinken oder Quellwasser. Da haben wir Selter- oder Saftflaschen darunter gestellt und da tat das dann tröpfeln. Da hast du dir dann ausgesucht, wo ist die Richtung, und dann dauerte es nicht lang, hattest du die Flasche voll gehabt. Das haben wir dann getrunken. Anderes Zeug natürlich auch, im Sommer gab es dann mal Tee. Haben sie drei, vier Kessel Tee, waren 40/50 Liter, die gebracht wurden. Na, sobald du was getrunken hast, kam die Brühe gelaufen. Wir hatten ja dann zu DDR-Zeiten die Plastikhelme, die gelben Dinger. Das tat ja nur tropfen. Ich hatte immer ziemlich lange Zotteln in Anführungsstrichen. Richtige Lockenkopfwolle, das war dann noch extremer. Andere, die sich das abgeschält haben, die haben nicht so geschwitzt. Obwohl ich ein Typ bin, der wenig schwitzt. Haben wir in den Firmen festgestellt. Gut, ich habe auch kein Übergewicht oder so. wahrscheinlich trägt das dazu bei. Wenn die anderen dann so ein Bäuchel haben, dass muss ja alles mitgetragen werden. Nö, geschwitzt haben wir. Tschernobyl habe ich im Bruch miterlebt. An dem Tag war es extrem heiß. Wir waren alle krebsrot, wir waren alle verbrannt. Ich wüsste sonst nicht, wann ich im Steinbruch eine Verbrennung hatte, also rot war. Wir waren immer „braun wie die Neger“. Richtig braun, das Einzige, was leuchten tat, waren die Zähne. Ansonsten stell dich doch mal bei ca. 60 Grad hin. Im Sommer waren es so immer 60 Grad im Steinbruch. Wie ich gesagt hatte, schaute man, wo man sich am besten aufhalten konnte. Was man kann, machst du jetzt, oder früh etwas Dreck schaufeln und dann nicht mehr ganz so eine Anstrengung bringen und auf keinen Fall durchklopfen in der Hitze. In Kamenz haben wir es gemacht, aber ich musste ja auch zeigen, dass ich es noch kann. Wir hatten zwar Sonnenschirme, aber was nutzen die dir denn, die Sonne wandert doch. Obwohl schon immer etwas mehr Wind ging, im Gegensatz bei uns, da war es immer richtig windstill.
Im Sommer um wieviel Uhr habt ihr da begonnen?
Also in Kamenz haben wir um halb Sechs begonnen. Ich bin zu Hause um halb vier aufgestanden, habe was gegessen, meine Tiere rausgelassen – ist ja außerdem schon hell – und dann haben wir dort angefangen. Halb Sechs sind wir in den Bruch runter. Und um 3 Uhr ist dann Feierabend. Das war natürlich top. Wenn du so zeitig heimkommst, kann man im Steinbruch noch mal schwimmen oder zu Hause ins Schwimmbecken.
Wie war es so mit dem Zusammenhalt unter den Arbeitern im Steinbruch?
Man sagt ja so immer, dass es sehr gemütlich war und auch immer etwas flüssig! Im Bruch selber gab es keinen Alkohol, das gab es nicht. Aber wenn Feiern waren oder so. Wir wollten zum Beispiel mit unserer Brigade vom Jungfernstein, die Alten wollten immer in der Tschechei einkaufen, wir sind mitgefahren, na ja gut, wir waren Bierchen trinken und so. So war das. Die haben ihre Fischbüchsen heimgeschleppt und was sie so alles bekamen. Es gab immer 60 Kronen für den Tagesumsatz, das waren umgerechnet 20 Mark. Der Zusammenhalt war schon gut, aber es gab auch untereinander Reibereien. Ich hatte auch viel Reibereien mit einem dickeren Mann. Der war auch über mir, der war gelernter Bäcker. Der hat mich immer so mit Dreck eingedeckt und das Zeug zerschossen, dann hat er auch nichts gesagt. Dafür haben sie dann aber auch Feuer von oben bekommen. Dass es so nicht geht, dass dann immer ein halber Tag Ausfall ist. Weil das Zeug hast du rausgeschickt mit der Schwebebahn, dann hat es der Schlosser bekommen. Dann ging es in die Werkstatt und dann hat er repariert. Dann brachte es wieder jemand an die Bruchkannte. Dann wurde es wieder reingefahren und dann kannst du erst wieder weiterarbeiten. Dann wieder an die Luftleitung anschließen. Wir sind ja auch über Leitern in den Bruch rein. Da habe ich zum Teil auch welche mit gemacht. Das ist schon recht aufwendig, weil die senkrecht an der Steilwand dran sind. Wie die Sohlen so sind, wurden sie, nach 10 Metern kam wieder eine Leiter dran. Ich hatte diesen, heute sagt man Industriekletterer, den Schein gemacht und ich habe dann auch an der Wand gehangen mit der Bohrmaschine. Da hast du aber nicht viel erreicht. Die hatte viel Druck und du musstest mit deinen 85 Kilo dann dagegenhalten. Das war nicht einfach. Da warst du froh, wenn du so ein Loch drin hattest und diese Leiter endlich an der Wand war.
Wie lange hat es denn gedauert so eine Leiter aufzustellen?
Ach einen Tag! Da hast du mit zwei Mann, die Schwebebahn hast du dazu gebraucht, dann ist alles andere liegen geblieben. Von oben weg wurde sie dann festgemacht, mit Keilen in der Wand fest verankert. Also ich würde meine, die ich gemacht habe, noch heute an der Wand runter laufen.
Wann bist du aus Köln wieder zurück in die Oberlausitz gekommen?
In Köln war ich erstmal das halbe Jahr, wo sie uns geborgt haben, und dann ein gefühltes Jahr mit Arbeitsvertrag. Genauer Termin, 22. August habe ich gekündigt, weil meine Frau schwanger war, mein Vater lag im Sterben zu Hause – wie gesagt zum 22. August gekündigt. Das war bis Monatsende, da war noch Urlaub und dann bin ich heim. Alles gepackt, Wohnung gekündigt und ausgeräumt und Sperrmüll an die Straße gestellt. Meine Frau ist schon früher Heim, weil die hat das Fahren nicht mehr so überstanden. Am 4. März 1991 war ich das erste Mal in Köln. Der erste Vertrag ging über ein halbes Jahr. Im Januar bin ich dann wieder hin, mit der sogenannten Festanstellung ohne noch mal Probezeit, da war ich von Januar bis 22. August 1992.
Dann war erstmal Schluss, dann bin ich nicht mehr in den Steinbruch. Es gab ja auch nichts mehr, es war ja alles kaputt. Die haben ja alle entlassen. 1.11.1992 habe ich im Straßentiefbau angefangen. Nach ca. 12 Jahren war Schluss. Ich habe dann 2005 mein Unternehmen gegründet. Dieses Jahr habe ich dann 15-jähriges Jubiläum. So war ich bis jetzt Granitpflasterer und Einbauer, habe ganze Straßenzüge und Borte gesetzt, dann auch sehr viele Höfe gepflastert. Dann bin ich zum letzten Jahr, zuerst war ich in Demitz-Thumitz, habe ich mich als Bohrer beworben, weil der Nachbar hat gesagt, die haben keinen Bohrer für die Bohrmaschine. Alles so ferngesteuert. Da habe ich dann dort erst mal ca. 6 Wochen gebohrt für gutes Geld und dann nach Kamenz. Das war dann bis dieses Jahresende, also 2019. Ich war noch mit auf einer Mauer in Lomnitz, habe eine riesige Grundstücksmauer gebaut aus Quadern von einer Tonne. Dann war ich irgendwann erschöpft und bin zusammengeklappt, dann habe ich die weiteren Arbeiten bis Jahresende eingestellt. War bis letzte Woche in Demitz-Thumnitz wieder Sprenglöcher bohren, also für Sprengung. Ungefähr 650 Loch habe ich gebohrt und zu besetzen sind durch die Großbohrmaschine bis zu 700. Das sind ungefähr 7 Tage Sprengung.
Wie siehst du die Zukunft?
Es gibt keine Leute mehr. Die Jüngsten sind 50 und der älteste ist 62. Nachwuchs ist nicht in Sicht. Irgendwie wird es sich verlieren. Für die Zukunft sehe ich Gefahr. Im Natursteinbereich bilden sie keinen mehr aus, nur noch im Abbau. Da muss was passieren. Körperlich ist es nicht mehr so schwer wie früher. Arbeit wäre schon noch da. Ich glaube unters Dach wird keiner mehr als Speller wollen.
„Der Granit ist noch da, aber wie lange gibt es noch den Steinarbeiter?“ ist ein bürgerjpurnalistischer Beitrag von Romy Pietsch.
Romy schaut gerne über den sagenumwo-benen Tellerrand. Daher bewarb sie sich als Bürgerjournalistin bei Sachsen im Dialog.Das in den Workshops angeeignete Wissen will sie in ihre Arbeit im Barockschloss Königshain einfließen lassen. Denn ein Museum ist für sie ein Ort der Begegnung,in dem Menschen mit ihren Ansichten zusammen kommen und sich austauschen. Romy möchte ebenfalls die Facetten, die sich hinter dem Begriff Heimat verbergen, vermitteln.