Neustadt

Die Veranstaltungen in der Neustadt fanden in Kooperation mit Erkenntnis durch Erinnerung e.V. / Gedenkstätte Bautzner Straße Dresden statt.

Die Treffpunkt ostZONE Veranstaltungen in der Neustadt fanden in Kooperation mit Erkenntnis durch Erinnerung e.V. / Gedenkstätte Bautzner Straße Dresden statt.


10.09.2021 – Marktcafé

„Die andere Seite? Sowjetzeit und Stasiakten“ mit der Künstlerin Susan Donath

Susan Donath trägt eine Urne herein – auf ihrem T-Shirt. „Stasi-Akten Familie Donath“ lautet die Beschriftung. Die Künstlerin erzählt von ihrem Vorhaben, die Stasiakte „zu Grabe“ zu tragen. In ihrer Kindheit bekam sie die Staatssicherheit nur indirekt mit, das Verhalten der Erwachsenen war manchmal seltsam. Sie recherchiert und bestellt die Akten. Sie liest. Der Alltag der Familie wird detailliert beschrieben, die gelebte Routine schien von Interesse. Sie fragt. Ihre Familie erzählt und erzählt doch nicht. Beim nächsten Lesen sind plötzlich Schwärzungen in den Akten. Und nicht alle Familienmitglieder stimmen der „Freigabe“ der Akten zu. Die Urne wartet.

Die Künstlerin Elena Pagel, in der Sowjetunion geboren, hört Susan zu. Sie kennt den starken Staat aus ihrer Kindheit und Jugend. Die Cafégäste berichten von ihren Erfahrungen und stellen Fragen. Was bedeutet es, eine Stasiakte zu „haben“? Und wer beobachtete eigentlich die sowjetischen Soldaten? Elena Pagel macht das Gehörte auf der Leinwand sichtbar.

Susan Donath: Foto Urne und T-Shirts mit Aufdruck und Beschriftung
“Für das Marktcafé “Die andere Seite? Sowjetzeit und Stasiakten“ hatten wir vorgesehen, dass ich nach einer kurzen Einführung zur Gedenkstätte Bautzner Straße Dresden davon erzähle, wie ich zu meiner künstlerischen Arbeit im Kontext des Umganges mit Stasiakten gekommen bin. Diese künstlerische Arbeit ist eng mit der Biografie meiner Eltern und meiner eigenen verknüpft. Aus den Erzählungen über die Biografien und die Entstehung der Arbeit hat sich ein Dialog mit den Teilnehmer:innen entwickelt, die ihre Perspektiven und Biografien geteilt haben. Für mich war die Teilhabe an den Perspektiven sehr intensiv, weil sie ermöglicht haben, die Geschichte durch die Augen der anderen Menschen zu sehen und zu erleben. Dafür bin ich sehr dankbar.” (Susan Donath)

10.09.2021 – Stadtteilspaziergang

„Auf den Spuren der sowjetischen Soldaten“ mit der Künstlerin Susan Donath

Die Expertin für Trauer- und Sterbekultur, Susan Donath, zeigt uns auf dem Weg von der ehemaligen MfS-Bezirksverwaltung zum Sowjetischen Garnisonfriedhof das Wohnhaus von Wladimir Putin, in dem er ab 1985 lebte. Doch wie und wo wohnten die anderen sowjetischen Soldaten? Vorbei an der langen Kasernenmauer in der Albertstadt gehen wir zur Kriegsgräberstätte. Soldatengräber – gefallen im 2. Weltkrieg. Ehrengräber. Doch viele Gräber tragen das Datum 1987. Woran sind diese jungen Soldaten gestorben? Und ein Kindergrab in einer Ecke des Friedhofs. Mit der Wende 1989/90 verlassen die Soldaten Dresden. Susan Donath kommt oft hierher und trifft manchmal eine russische Familie, die Blumen an einem Grab niederlegt.

Nachdenklich – gilt Heimat auch fürs Grab – spazieren wir zum Nordfriedhof. In der Trauerhalle bekommen wir eine Führung durch Susans Ausstellung „Unverblümt“. Was haben die Toten von den Blumen auf ihren Särgen und Gräbern? Viel, das ist uns spätestens nach dem Blick auf die einzeln mit der Hand aufgereihten Perlen-Blumen von Susan bewusst.

Susan Donath: Foto Grabstein und Text
“Wir waren eine sehr kleine gemischte Gruppe in Bezug auf Alter, Herkunft und Geschlecht. Das hatte den Vorteil, dass wir sehr schnell im Gespräch und Dialog untereinander waren. Ich habe schon mehrere Vorträge über den sowjetischen Garnisonfriedhof gehalten, aber nie ist mir wie in dieser Konstellation mit den Teilnehmer:innen klargeworden, wie wichtig und dringlich der Erhalt der einzelnen Grabmale ist. Sie sind die letzten Zeugen der Anwesenheit der sowjetischen Armee und ihrer Familien in Dresden. Sie haben das Potenzial, viele noch offene Lücken der Geschichte zu füllen. Daher habe ich beschlossen, mich nach dem Projekt künstlerisch mit der Thematik zu beschäftigen. Aufgabe an die Teilnehmer:innen während des Stadtteilspazierganges: Welcher Satz ist Ihnen heute im Kopf geblieben?” (Susan Donath)

LETZTE WORTE | Antworten der Teilnehmer:innen
„Mich hätte es mehrmals nicht gegeben, eine Bombe explodierte neben meinem Opa, eine Kugel streifte den Helm von meinem Vater, eine Friedensflagge in Weiß auf dem Balkon bei meiner Mutter war Anlass für einen Schuss eines Scharfschützen…”.
„So viele Fragen noch offen, die jungen gestorbenen Männer von 1952 … “.
“Diese Gräber hier der sowjetischen bzw. russischen Soldaten sind die einzigen sichtbaren Zeichen für die Präsenz dieser Menschen hier in Dresden (1945-1992)”.
“Яна Ƃорисова, geboren und gestorben 1987 in Dresden“.
„Das ist eine Tropfenform … du hast es bemerkt, in Russland oder Osteuropa ist sie Standard. Ich habe mir bisher keine Gedanken gemacht, aber nach deiner Bemerkung habe ich anfangen, darüber nachzulesen, welche Bedeutungen die Kranzformen in der Trauerfloristik in Russland haben. Früher in der UdSSR waren die Trauerkränze nur in Tropfenform. In jüngerer Zeit (Einfluss von Europa, scheinbar) gibt es auch Herz- und Kreisformen. Kränze in ovaler oder Tropfenform sind ein Symbol für Kummer, Traurigkeit und Leiden des Herzens und der Seele … “
„Danke für diesen Einblick und das Gespräch mit und in der Gruppe. Sie haben mich an etwas teilhaben lassen.“
Namen, ihre Geschichten, ihre Biografien.”


Das Projekt Treffpunkt ostZONE. Erinnern und gestalten wird gefördert durch das House of Resources Dresden +. Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes im Rahmen des Landesprogrammes Integrative Maßnahmen.