Prohlis

Die Veranstaltungen in Prohlis fanden in Kooperation mit ZU HAUSEย INย PROHLISย e.V.,ย Musaikย โ€“ Grenzenlos musizierenย e.V.,ย Malteserย Hilfsdienst e.V.ย undย JugendKunstschuleย Dresdenย statt.

Die Treffpunkt ostZONE Veranstaltungen in Prohlis fanden in Kooperation mit ZU HAUSE IN PROHLIS e.V.Musaik โ€“ Grenzenlos musizieren e.V.Malteser Hilfsdienst e.V. und JugendKunstschule Dresden statt.


11.09.2021 – Podiumsgesprรคch

Klischees und Vorurteile mit Douha AlFayyad (Autorin), Luis Mazuze (ehemaliger Vertragsarbeiter aus Mosambik) und Dr. Josef Schneider (Vorsitzender – Euro-Bridge e.V.)
Moderation: Henriette Stapf | Live-Visualisierung, Dokumentation: BENUZ

Ankommen in Dresden. Erste Eindrรผcke. Das Leben gestern und heute. Luis Mazuze kam 1980 aus Mosambik. Als Vertragsarbeiter. Einige behandelten ihn wie ein kleines Kind, โ€žso รผberquert man eine StraรŸeโ€œ. Ausgegrenzt, mit wenigen Ausnahmen. Arbeit in einer Brauerei, Ausbildung, Meister, Studium – Braumeister. Er grรผndet Afropa e.V., Verein fรผr afrikanisch-europรคische Verstรคndigung. Dresden ist sein Zuhause. Dr. Schneider ist Wolgadeutscher. Russlanddeutscher aus der Ukraine. Er kam in den 1990er Jahren. Spรคtaussiedler. Unterbringung in Baracken. Deutschkurse. Ausgrenzung. Bildung und Sport retten ihn. Er grรผndet den Verein Euro-Bridge e.V. Douha AlFayyad kam 2014. Aus Syrien, zum Studium. Westdeutschland, Ostdeutschland. Gibt es einen Unterschied? In Dresden lebt sie gerne. Anfangs dachte sie, das Nicht-Verstehen lรคge an der Sprache. Fragen aus dem Publikum: Was kรถnnen wir tun? Was bedeutet Rassismus im eigenen Leben? Wie kรถnnen wir Vorurteile abbauen? Realitรคten anerkennen. Zwei Seiten leben. Immer freundlich. BENUZ legt die drei Biografien รผbereinander. Etwas Neues entsteht.

BENUZ: Leinwand 120 cm x 120 cm, Acryl; Kalligrafie
Ich habe die Veranstaltung mit meiner Assoziationsmalerei begleitet. Ich habe fรผr meine Malerei bunte Farben genommen, weil unsere Welt bunt und vielfรคltig ist, auch in Dresden.
Auf der Leinwand ist das Gesicht vom abstrakten Prototypen eines Menschen im Kalligrafie-Stil gezeichnet. Kalligrafie-Stil bedeutet fรผr mich viel. Diese Technik entdeckt man in vielen alten Kulturen: Griechenland, China, Japan, Korea. Es gibt westliche, hebrรคische, arabische und slawische Kalligrafie.
Ich habe unter anderem die folgenden Begriffe bei den Gesprรคchen der Teilnehmer gehรถrt und diese ins Bild als Buchstaben, Worte und grafische Elemente integriert: Heimat, Mรถglichkeiten, Hoffnung, typisch, Land, Entscheidung, Erinnerung, Schuld.
Sehr oft, besonders in Dresden, hรถre ich, wie wir Auslรคnder von manchen Einheimischen kritisiert und gehasst werden. Das tun meistens die Deutschen, die gar nichts fรผr die eigene Heimat machen, die nur nehmen und haben mรถchten.
Die Meinung einer Zeitzeugin vom Podium hat mir sehr gefallen und ich teile das auch mit: Am Ende ist nicht wichtig, woher Menschen kommen, sondern was sie fรผr Gesellschaft und Kultur tun.“ (BENUZ)

18. & 25.09.2021 – Biografie-Kunstworkshop

Zwei Workshoptage mit der Kรผnstlerin Melissa Wagner und dem Kรผnstler BENUZ

Tag 1 – Prohlis feiert das 30. Herbstfest. Wir sind mittendrin, das Quartiersmanagement Prohlis und der Verein ZUHAUSE IN PROHLIS e.V. haben uns in den KIEZ eingeladen. Melissa Wagner holt ihr braunes Packpapier heraus, BENUZ hรคngt eine riesige Leinwand auf und stellt die Spraydosen bereit. Ehe wir uns versehen, fรผllt sich der Raum.

BENUZ vermittelt die Grundlagen der kalligrafischen Graffiti-Kunst. Erinnerung durch Schrift. Christine denkt an Freygang – die Band ihrer Jugend – und schreibt den Namen des Musikers [Greiner]-Pol. Akam zeigt Evgenia, wie das Wort โ€žFreiheitโ€œ auf Farsi geschrieben wird. Bald trauen sich alle an die Spraydosen. Farbige Ausschnitte aus dem Leben entstehen und werden zu einem Gemeinschaftswerk. Melissa Wagner zeigt Rita, Evgenia, Vlada und Wolfgang, wie aus Packpapier Masken geformt werden: Masken des Alltags oder Masken der Fantasie. Geschichten รผber Jugenderlebnisse werden ausgetauscht. Evgenia entscheidet sich fรผr einen Hut. Zwischendurch beschรคftigt Melissa die zahlreichen Kinder mit โ€žBodypaintingโ€œ. Ihre Gesichter und Hรคnde schmรผcken groรŸartige Muster und Bilder. Alle haben SpaรŸ.

Melissa Wagner: Masken und Papierobjekte
„Ursprรผnglich war es geplant, mit den Teilnehmer:innen mittels der Medien Maskenbau und Performance auf die Suche nach der eigenen Identitรคt zu gehen. Welche Rolle spielen in diesem Kontext eigene Erfahrungen, Strategien der Anpassung oder das Erfรผllen von Erwartungshaltungen durch das Einnehmen bestimmter Rollen im Sozialgefรผge? Durch logistisch bedingte ร„nderungen (Beteiligung am Prohliser Herbstfest und dadurch keine feste Gruppe wรคhrend der beiden Workshoptage) entstanden – abgesehen von den vorgesehenen Masken – nun diverse Objekte aus Papier, die in einem Bezug zur Biografie der Workshopteilnehmer:innen stehen.
Dafรผr traten die Teilnehmer:innen in einen Dialog รผber das Leben in der โ€žostZONEโ€œ, ihre Sehnsรผchte und die erlebte Realitรคt im โ€žWestenโ€œ. Die Ideen, die dabei entstanden, wurden mit Packpapier, Nassklebeband, HeiรŸkleber, Acrylfarbe und verschiedenen Materialien aus dem Kontext der Teilnehmer:innen (z.B. Perlenarten je nach Heimatland oder mitgebrachte Stoffreste mit bestimmten Erinnerungen) umgesetzt.“
(Melissa Wagner)

Tag 2 – Das Wetter spielt mit, wir kรถnnen den wunderbaren Garten im Palitzschhof nutzen. Die groรŸe Leinwand findet einen Platz am Backhaus. Inge hat ihre chinesische Tandempartnerin und weitere Freunde mit chinesischen Wurzeln mitgebracht. Gemeinsam mit BENUZ, Alaa Eddin, Nazanin, Inge, Susanne und Elena erproben sie die Kalligrafie mit Pinsel und Tusche. Bilder entstehen. Beim Sprayen auf der Graffiti-Leinwand bleiben diesmal viele kleine Monster und groรŸe Augen. Farbenfroh.

Evgenia gestaltet ihren Hut weiter. Wolfgang und Verena arbeiten an ihren Masken, Wolfgang erzรคhlt von der NVA. Der Kalte Krieg kommt zur Sprache. Die Wende. Wie aus befeindeten Lรคndern ein Land wurde. Offene Grenzen. Evgenia nickt und zeigt ihren fertigen Tschernobyl-Hut. Sie durfte nie wieder in ihr Zimmer, ihr Haus, ihre Stadt zurรผck. Bei der Abschlussrunde stellen alle ihr Werk kurz vor. Mit den Hรคnden wurden persรถnliche Erinnerungen gestaltet. Schmerzvolle und Lustige. Die jรผngste Teilnehmerin (2 Jahre) staunt.

BENUZ: Leinwรคnde mit Kalligrafie und Graffiti
„Die Teilnehmer:innen hatten die Aufgabe, verschiedene Begriffe zu den Themen Biografie, Familiengeschichte, Migration, Umsiedlung, Gefรผhle und Erinnerungen an die Heimat in ihren Originalsprachen im Kalligrafie-Stil auf Papier zu bringen. Danach wurden die Worte auf eine groรŸe Oberflรคche รผbertragen: gesprรผht, gezeichnet und gemalt.
Beim ersten Workshop war ich von der Zahl der Besucher:innen sehr รผberrascht: immer wieder kamen Menschen unterschiedlicher Kulturen, Nationalitรคten und Generationen und mit groรŸer Freude wurden Malen und Sprรผhen ausprobiert. Es wurde in verschiedenen Sprachen gezeichnet: Russisch, Arabisch, Kurdisch, Farsiโ€ฆ Das hat mir sehr gut gefallen.
Unsere gemeinsamen Ergebnisse auf groรŸer Flรคche haben mich auf folgende Gedanken gebracht: Im Labyrinth des Lebens spielt es keine Rolle, wo du bist. Wichtig und transzendent sind deine persรถnliche Entwicklung und das, was du anderen hinterlรคsst. Die drastischen Wechsel von einem Ort zum anderen รถffnen Wunden, aber auch Mรถglichkeiten. Am Ende ist man allein und geht durch dieses Leben. Unsere Aufgabe im Hier und Jetzt ist es, daran zu arbeiten, ein festes Gesicht und ein wahres Herz zu haben.
“ (BENUZ)


Das Projekt Treffpunkt ostZONE. Erinnern und gestalten wird gefรถrdert durch das House of Resources Dresden +. Diese MaรŸnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sรคchsischen Landtag beschlossenen Haushaltes im Rahmen des Landesprogrammes Integrative MaรŸnahmen.