20 Jahre Bunte Republik Neustadt

Das Jubiläum der „Bunten Republik Neustadt“ sollte Anlass sein, die 20-jährige Entwicklung der Republik zu reflektieren, die Einzelveranstalter der BRN näher zusammenzubringen, internationalen Beziehungen zu anderen Mikrorepubliken aufzubauen und den Bürgern der BRN mit einem eigenen Reisepass ein Stück Identität zu stiften.

Reflexion & Kooperation

Die Reflektion der 20-jährigen Geschichte wurde durch mehrere Diskussionsrunden vor und nach dem Festival BRN selbst durchgeführt. Die Initiative dazu kam maßgeblich aus dem Kulturzentrum Scheune, deren Repräsentanten ehrenamtlich und mit großem Engagement diese Debatten angeschoben, kanalisiert und weitergeführt haben. Angesichts der multiplen Problemlagen – die Diskussion um Kommerz versus Kultur sei dafür phänotypisch erwähnt – keine leichte Aufgabe, bei der sich Differenzen und Gemeinsamkeiten der einzelnen Veranstalter zeigten, aber auch das Publikum und die Bewohner des Stadtteils zu Wort kamen. Einigkeit herrschte darüber, dass die BRN von 2010 nicht mehr dieselbe sein kann wie 1990, die Werturteile dazu gingen jedoch weit auseinander. Während die einen forderten, die BRN möge mehr von ihrem ursprünglichen Flair unkommerzieller Kleinkunst der Bewohner präsentieren, zeigten sich insbesondere junge und neue Neustädter Bewohner eher verwundert darüber, dass ohnehin ortsansässige Gewerbetreibende zum Stadtteilfest auf Umsätze verzichten sollten. Erneut lehnten die Einzelveranstalter unisono einen von der Stadt immer wieder geforderten zentralen Organisator ab, nur so sei die Vielfalt der BRN zu erhalten und dem besonderen Charakter des Stadtteils und seiner Bewohner beizukommen. Darüber hinaus diskutierten die Einzelveranstalter mögliche Lösungen gemeinsamer Probleme wie etwa Toilettenressourcen, Müllentsorgung und Lautstärkebelästigung. Wenngleich nicht alle Probleme sofort gelöst werden konnten, so etablierte sich ein unregelmäßig tagender offener Kreis kreativer Neustädter, der für 2011 und die Folgejahre entsprechende Vorschläge unterbreitet.

Eine besondere Form der Reflektion der Republik und des Stadtteils stellt das BRN-Museum dar. Bislang sammelte Sebastian Schwerk mit Unterstützung zahlreicher ehrenamtlicher Mitstreiter Fotos, Dokumente, Materialien und Pressestimmen zur BRN. Diese sind seit 12. Dezember 2010 im BRN-Museum im Stadtteilhaus Neustadt zu sehen. Das Museum selbst ist eine weitere lokale Vernetzungsinitiative, die von Kultur Aktiv mit angestoßen wurde und gemeinsam mit dem Stadtteilhaus/Stadtteilarchiv sowie zahlreichen Privatpersonen getragen wird.

Diese ersten konkreten Kooperationsprojekte mündeten bereits in weitere zukunftsorientierte Planungen. So sehen Kultur Aktiv, Scheune, Stadtteilhaus, Scheune, Kulturage und der Neustädter Gewerbe- und Kulturverein sowie weitere Partner die kulturelle und stadtteilbezogene Nachnutzung der Gebäude der Feuerwache Neustadt vor, planen ein Folgeprojekt zur BRN 2011 und die Weiterentwicklung der internationalen Beziehungen.

Insgesamt leistete das Projekt (zuzüglich der notwendigen Kooperation der Neustädter Einzelveranstalter im Rahmen der internationalen und identitätsstiftenden Aktivitäten, vgl. unten) einen großen Beitrag zur Reflexion der Republik und ihrer Bewohner sowie zur nachhaltigen Zusammenarbeit, ohne jedoch sogleich eine neue Regierung oder ähnliche zentralistische Institutionen zu benötigen. Damit kann dem besonderen Charakter der Neustadt auch zukünftig Rechnung getragen werden.

Internationalität & Identität

Als besonderes Geschenk zum 20.Geburtstag sollte die internationale diplomatische Anerkennung der Bunten Republik Neustadt dienen. Dazu wurden zahlreiche ähnliche Mikronationen eingeladen, aufgrund der geänderten Budgetplanungen konnten wir letztlich folgende acht Botschaften auf dem Boden der BRN eröffnen:

  • Republik Zizkov (Prag) im „BRN-Lustgarten“ von Kultur Aktiv
  • KuKiHH (Schweiz) nahe der Aluna-Bühne der Groovestation
  • Respublika Uzupis (Vilnius) im Kulturzentrum „Scheune“
  • NEUropa im Garten von „Kathys Garage“
  • Freie Republik Schwarzenberg in der Kneipe „Trotzdem“
  • Lukaschenkien (Internetrepublik: narod.lu) im Hostel „Lollis Homestay“
  • Gängeviertel (Hamburg) in Café „Stilbruch“
  • Festung Breslau/Orange Alternative (Polen) im „Stadtteilhaus Neustadt“

Mit den Eröffnungen der Botschaften ging die gegenseitige Anerkennung einher, wobei sich das Fehlen einer Regierung der BRN auswirkte, so dass die jeweiligen Einzelveranstalter im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Anerkennungen vollzogen. Die Republiken präsentierten Ausschnitte aus ihrer kulturellen und politischen Arbeit. Unterschiedlichste kleinere Ausstellungen, Musikbeiträge, Videos und Plastiken bereicherten somit gleichsam BRN-typisch das Jubiläumsfest.

Als Klammer um die Botschaften fand vor der Eröffnung am Freitag ein kurzes Treffen aller anwesenden Botschafter im Stadtteilhaus statt, um sich gegenseitig kennenzulernen und notwendige organisatorische Fragen zu klären. Am Sonntagmorgen fand sich das diplomatische Corps zu einem Arbeitsessen im Kulturzentrum Scheune zusammen. Zunächst wurden die ersten Erfahrungen der einzelnen Vertretungen in der BRN vorgestellt, hernach mögliche bilaterale Kooperationsmöglichkeiten zwischen der BRN und den Republiken, sowie der Republiken untereinander beraten. Ebenso kamen Ideen im Bereich der multilateralen Kooperation auf, die in Zukunft umgesetzt werden sollen. Alle Beteiligten waren sich darin einig, dass die mit dem Besuch der Botschafter und Außenminister begonnene Zusammenarbeit fortgeführt werden solle. Konkrete Vereinbarungen trafen u.a. die Republiken Festung Breslau und Gängeviertel über einen Ausstellungsaustausch, die Republik Uzupis ernannte Vertreter von Scheune und Kultur Aktiv bei einem Gegenbesuch im Dezember 2010 zu offiziellen Botschaftern. Für 2011 oder 2012 ist eine internationale Konferenz der Mikronationen der Welt in der Bunten Republik Neustadt geplant. Dazu verhandeln die lokalen Einzelveranstalter derzeit die Details. Die in vergangenen Zeiten schwierige Reputation der BRN konnte international auf völlig neue, positiv-konnotierte Füße gestellt werden. Ein Fakt der sich mittelfristig auch auf die lokale Ebene übertragen lässt.

Eine weitere Besonderheit stellte der Austausch mit der Freien Republik Schwarzenberg dar. Dort konnte der Neustädter Künstler Peter Till die feierliche Eröffnung einer dauerhaften Botschaft der BRN vollziehen und während des Stadtfestes in einem eigens geschaffenen Konsulat Visa und Pässe der BRN ausgeben. Für 2011 und 2012 ist die Eröffnung weiterer Botschaften der BRN in anderen Mikronationen geplant, nicht zuletzt um damit einen Beitrag zum alternativen Tourismusmarketing zu leisten. Bereits im Planungsverfahren befindet sich das Angebot geführter Reisen durch die von der BRN anerkannten Republiken in Europa.

Die Ausgabe einer neuen Edition eigener Pässe der Bunten Republik Neustadt nach 20 Jahren wurde zum Symbol der Identitätsstiftung für die Bewohner des Stadtteils. Bereits im Vorfeld sowie in drei Passausgabestellen während der BRN konnten sich die Bewohner ihren Pass ausstellen lassen. Obwohl die Ausgabezahl hinter den Erwartungen zurückblieb, wofür insbesondere die große Zahl der Zuzügler in die Neustadt ursächlich scheint, konnten sich gerade ältere und angestammte Bewohner mit ihrem neuen Pass identifizieren. Die somit zu ordentlichen Bürgern der BRN ernannten etwa 700 Personen haben das volle Stimmrecht bei Bürgerabstimmungen, die möglicherweise in Zukunft die tatsächliche politische Stadtteilarbeit begleiten können.

Die Möglichkeit den neuen Pass sogleich mit zahlreichen Visa der ausländischen Vertretungen zu versehen und damit freundschaftliche Reisemöglichkeiten sowie Einblicke in die Kulturarbeit der anderen Republik zu erlangen, wurde zahlreich genutzt.

Die internationale Vernetzung hat die Erwartungen unsererseits insgesamt übertroffen. Die schwierige Planbarkeit aufgrund der kurzfristigen, gravierenden Änderungen des Projekthaushaltes ließ jedoch einige vorhandene Potentiale ungenutzt, ebenso konnten einige Mikronationen aus finanziellen Gründen letztlich nicht anreisen. Die nun vorhandenen Kontakte werden für zukünftige Projekte genutzt und können somit nachhaltig einen Beitrag zur Internationalität der Bunten Republik Neustadt leisten. Ebenso beförderte die notwendige Kooperation der lokalen Partner untereinander den Dialog (vgl. oben).

Der schwierige Weg der Identität der BRN und ihrer Bewohner konnte mithilfe der Pässe und deren Anwendbarkeit ein wenig geebnet werden und soll in Zukunft weiter wirken.

20 Jahre BRN – Die Partner

Kultur Aktiv (Träger)

Bar „Stilbruch“

Bar „Trotzdem”

BRN Museum, Sebastian Schwerk

BRN-Lustgarten

Café Neustadt

DieNeustadt.de

Groovestation

Peter Till ohne Herrn Beckert & Vergißmeinnicht (Vertretung in der Freien Republik Schwarzenberg)

Hostel „Lollis Homestay“

Kathys Garage

Neustadtgeflüster.de

Projekttheater Dresden e.V.

Scheune Dresden e.V.

Stadtteilhaus e.V./Stadtteilarchiv

Wohnprojekt Amselhof

Jene Partner, die uns unterstützt haben, aber leider nicht dabei sein konnten:

Rosis Amüsierlokal

Club Titty Twister/Bar „Backstage“

Republik NSK (Ljubljana)

Mit freundlicher Unterstützung der Landeshauptstadt Dresden, Amt für Kultur und Denkmalschutz und der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen

Verantwortlicher Projektleiter war Mirko Sennewald.