Als Altbau etwas Schlechtes war

Von Pieschen nach Gorbitz - Inges Wohnbiografie in verschiedenen Dresdner Nachbarschaften.

Text und Illustration: Rosa Brockelt

Inge - Dresdner Nachbarschaften © R. Brockelt

Im Club Passage ist die Atmosphäre sehr entspannt und familiär. Einige der anwesenden Frauen sind dem Projekt schon lange treu und durch sie ist die Stimmung gleich locker und fröhlich. Die kreative Aufgabe ist schnell erklärt und beim Materialien durchsuchen kommen wir ohne große Umwege auf das Thema Wohnen. Das Gespräch ist gleich sehr interessant: die Teilnehmerinnen identifizieren sich gleich als Stadt- oder Dorfkinder und erzählen ihren persönlichen Wohnraum-Werdegang.

Inges Wohnungsbiografie in Dresden finde ich besonders spannend: Da ich selber erst seit 2011 in Deutschland und in Dresden lebe, kenne ich nur den heutigen Wohnungsmarkt. Seitdem ich hier lebe, sind Altbauwohnungen mit ihren hohen Decken, den Holzdielen und der Stuckdekoration an den Decken sehr beliebt – und besonders im sanierten Zustand recht teuer. Wer keinen alten Mietvertrag besitzt, muss es sich erstmal leisten können. Neubauwohnungen werden hingegen oft als anonym und charakterlos empfunden.

Im Gespräch mit Inge lerne ich, dass es durchaus mal anders war. Sie beschreibt ihren Leben in der „Trachi 13“, in Pieschen: Dort lebte sie zwischen 1977-1985 in einer Altbauwohnung. Miete: 27,93 Mark. Das Haus war, bei Altbau leider häufig in der Zeit, in keinem guten Zustand. Es war kalt und feucht, da es nur einen Ofen für die ganze Wohnung gab und an den Wänden breitete sich der Schwarzschimmel aus. Die Leitungen waren alt und die Wasserrohrbrüche häufig – mindestens einen im Jahr, manchmal mehr. Der Verwalter, der selber keine Entscheidungsbefugnis hatte, kommunizierte über einen Rechtsanwalt mit der Erbengemeinschaft, was letzten Endes dazu führte, dass sich keiner wirklich verantwortlich fühlte. Doch die Hausbewohner gaben ihr Bestes, um das Leben im Haus schön zu gestalten und die Gemeinschaft, die dabei entstand, machte war für alle wertvoll.

„Acht Jahre mussten wir warten, bis wir eine Neubauwohnung in Gorbitz zugeteilt bekamen. 1985 war das ganze Wohngebiet gerade erst erbaut worden, um das Haus waren weder Fußwege noch Gärten, alles nur kahle Erde. Wir mussten zu Beginn noch AWG Stunden leisten d.h. beim Bau und der Gartenbepflanzung mithelfen. Ich war aber zu der Zeit hochschwanger und musste meist nur Kaffee reichen.“

Als 1985, nach acht Jahren Wartezeit, Inges Familie endlich eine Neubauwohnung in Gorbitz zugeteilt bekam, waren dennoch alle unglaublich froh, die Altbauwohnung zu verlassen. Gorbitz – ein Stadtteil, der heute mit seinem schwierigen Ruf zu kämpfen hat – war damals ein beliebtes Wohngebiet, das neue, moderne und komfortable Wohnungen zu bieten hatte.


Mehr Informationen

Club Passage (JugendKunstschule Dresden)
Leutewitzer Ring 5 · 01169 Dresden
Mail: passage@jks.dresden.de
Telefon: 0351 411 26 65


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Gefördert durch

Das Projekt wird wird gefördert durch das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt. Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes im Rahmen des Landesprogrammes Integrative Maßnahmen.