Am 20. August waren die Dresdner Nachbarschaften zum Biografieworkshop in Strehlen.
Text: Falk Goernert · Fotos: Yvonn Spauschus
It´s all about contact – in der Begegnung mit mir und im Erleben mit anderen. Kalligraphie trifft upcycling book art und nach sechs Stunden gehe ich als ein anderer durch den Regen nach Hause, als der ich gekommen bin. Mehr geht im besten Sinne nicht. Wieder heißt es buchstäblich hands on und obendrein Ohren und Herzen auf. Was ist passiert?


Bei noch geöffneter Haustür fällt der Blick sogleich auf diesen bunten Teppich an Schuhpaaren neben der Treppe und löst ein Gefühl der Behaglichkeit aus. Hier wird sich getroffen. Hier kommt man an. Hier wird willkommen geheißen. Auf Strümpfen geht es sodann die Treppe nach oben. Die Fenster des Raumes sind weit geöffnet und die einströmende Luft des Regens vermischt sich mit dem Duft eines Räucherstäbchens, ganz zart und unwillkürlich. Der Raum füllt sich mit Menschen und wird dies immer wieder im Laufe dieses Samstags tun; ein Dazukommen, Pausieren, Kinder, die sich in Begleitung ihrer Eltern oder eines Begleiters in einen anderen Raum bewegen, um zu spielen. Da ist etwa eine junge chinesische Familie mit ihren zwei Kindern, die extra aus Leipzig angereist ist; ein anderes Paar, das erst vor zwei Wochen in Deutschland angekommen ist und nun zu Hause und Arbeit sucht; zwei junge chinesische Frauen mit Studiums- und Arbeitshintergrund in Dresden… Die Rede von der Nachbarschaft bekommt nun eine viel größere Dimension. Und die Idee vom Kulturaustausch wird dabei vom Kopf auf die Füße gestellt und praktisch erlebt. Zugleich erfahren wir einen (wechselseitigen) Rollentausch. Vereinfacht formuliert: Hier „Experte“, da „Lernender“. Aus einem sogen. Heimspiel wird ein Auswärtsmatch, dann wieder eine vertraute bekannte Spielfläche, um schließlich wieder zu Neuland zu werden.


Die sogenannte „Siegelschrift“ in ihrer Geradlinigkeit und (inneren) Schönheit ist das erste Medium unserer Kulturpraxis an diesem Tag in Altstrehlen. Mit unserer kundigen Kalligraphie-Expertin Hongfeng Yang an der Seite erfahren wir von den traditionellen, grundsätzlichen chinesischen Prinzipien und hören den Dreiklang von „Geduld – Ruhe – Konzentration“. Und mittendrin geht der Spot an: die Praxis des Schreibens, die Körperhaltung (beim Kalligraphieren der gerade Rücken) und die mentale Einstellung (weites, ruhiges Herz mit einem fließenden Atem) markieren zugleich eine innere Haltung. Mit der Rede vom „tugendhaften Menschen“ und einem „tugendhaften Leben und Tun“ finden wir uns en passent im anregenden Dialog. Schnell fällt das Wort vom Tugendhaften der Deutschen bezogen auf die (Arbeits-)Ideale der Ordentlichkeit, Disziplin, Verlässlichkeit. Und was denkt ihr darüber, ruft es durch den Raum. Unsere über die Tische gehenden Gespräche markieren, wie unmittelbar deutlich wird, eine mehrfache Übersetzungsarbeit nach wechselseitigen Verstehenshorizonten in Bezug auf Sprache, Semantik und Kultur.Die sogenannte „Siegelschrift“ in ihrer Geradlinigkeit und (inneren) Schönheit ist das erste Medium unserer Kulturpraxis an diesem Tag in Altstrehlen. Mit unserer kundigen Kalligraphie-Expertin Hongfeng Yang an der Seite erfahren wir von den traditionellen, grundsätzlichen chinesischen Prinzipien und hören den Dreiklang von „Geduld – Ruhe – Konzentration“. Und mittendrin geht der Spot an: die Praxis des Schreibens, die Körperhaltung (beim Kalligraphieren der gerade Rücken) und die mentale Einstellung (weites, ruhiges Herz mit einem fließenden Atem) markieren zugleich eine innere Haltung. Mit der Rede vom „tugendhaften Menschen“ und einem „tugendhaften Leben und Tun“ finden wir uns en passent im anregenden Dialog. Schnell fällt das Wort vom Tugendhaften der Deutschen bezogen auf die (Arbeits-)Ideale der Ordentlichkeit, Disziplin, Verlässlichkeit. Und was denkt ihr darüber, ruft es durch den Raum. Unsere über die Tische gehenden Gespräche markieren, wie unmittelbar deutlich wird, eine mehrfache Übersetzungsarbeit nach wechselseitigen Verstehenshorizonten in Bezug auf Sprache, Semantik und Kultur.


Und immer wieder der Klang der chinesischen Sprache als einer akustischen Kontaktzone. Ich fühle mich angerufen, ohne dass mein Verstand sein gewohntes Spiel des Verstehens vollführen kann.



Und dann heißt es (wieder) eintauchen in den Dschungel. Verschiedenste kreative Papier-/ Bucharchitekturen als das zweite Medium an diesem Tag gehen in Arbeit und erobern zusehends die Tische. Nun kennen wir uns schon ein wenig. So werden etwa Fotos der Kinder auf dem Handy über den Tisch gereicht, mit einem Lächeln auf den Gesichtern. Ich blicke auf die mir gegenüberliegende Zimmerwand. An ihr hängt eine Kalligraphie. Ich frage Hongfeng nach deren Bedeutung: „Schwimm mit den Wellen“, sagt sie.
Chinesisch-Deutsches Zentrum
Dresdner Nachbarschaften
Damals, Heute, Morgen / Zuhören, Erinnern und Gestalten
In unseren Erzählcafés und Gesprächsrunden, Stadtteilrundgängen und Workshops wollen wir euch ermuntern, Geschichten zu erzählen und Visionen zu entwickeln.
Zeitraum
05-12.2022
Projektbeteiligte
Yvonn Spauschus (Projektleitung)
Anne Ibelings · Moussa Mbarek · Nadine Wölk (Workshopleitung)
Uta Rolland · Rosa Brockelt · Rosa Hauch (Moderation und Dokumentation)
Kooperationspartner:innen
JugendKunstschule Dresden · Omse e.V. · Löbtop e.V. · Quartiersmanagement Prohlis, Johannstadt und Gorbitz · Sigus e.V. · In Gruna leben e.V. · UFER-Projekte Dresden e.V.
Gefördert durch

Das Projekt wird gefördert vom House of Resources Dresden+
