Johannstadt

Die Veranstaltungen in der Johannstadt fanden in Kooperation mit Johannstรคdter Kulturtreff e.V. und Plattenwechsel - WIR in Aktion statt.

Die Treffpunkt ostZONE Veranstaltungen in der Johannstadt fanden in Kooperation mit Johannstรคdter Kulturtreff e.V. und Plattenwechsel – WIR in Aktion statt.


02.07.2021 – Marktcafรฉ

โ€žWohnen in Johannstadtโ€œ mit der Kรผnstlerin Nazanin Zandi

Ein zerstรถrter Stadtteil. 80 % der Hรคuser verschwanden im Krieg. Neuplanung. Wolfgang Hunger erzรคhlt. Die Brache. Die Bebauung 1972. Plattenbauten. Die Redakteurinnen des Stadtteilmagazins ZEILE ergรคnzen. Was zeichnet die Johannstadt aus? Die langen Wohnblรถcke. Die Farben Rot und Orange. Erinnert ihr euch an das Elisencafรฉ? Nein. Aber an die Einkaufshalle. Und das Studentenwohnheim. Russische Nachbarn – Angehรถrige der Armee. Weltoffen. Damals. Und heute? Inge aus der Ukraine. Spรคtaussiedlerin. Seit 14 Jahren in Johannstadt. Gute Nachbarschaft. Internationale Gรคrten. Maryam aus Libyen. Seit 2015. Gut eingelebt. Doch komische Blicke. Miteinander reden. Fragen.

Nazanin Zandi zeichnet das Gehรถrte auf. Konzentriert sich auf das Wesentliche. Die Aussage. Sie gibt den Stimmen in und aus Johannstadt ein Gesicht.

Nazanin Zandi: Kleine Grafiken
„Bei dem Marktcafรฉ in Johannstadt haben mich die biografischen Erinnerungen der Anwesenden sehr beeindruckt. Wolfgang Hunger hat รผber seine Jugend und seine damalige Zeit als Arbeiter im Plattenwerk gesprochen. Er war fรผr Fliesen und Intarsien zustรคndig, dies habe ich in den Grafiken gezeichnet. Und er hat uns von seiner Kindheit erzรคhlt, von Panzern auf Brรผcken und von den „Sperrgebieten“, in denen Vertragsarbeiter:innen gewohnt haben, getrennt von der DDR-Realitรคt, die drauรŸen stattfand.โ€ฏ
Maryam hat uns durch ihre Johannstadt gefรผhrt. Sie war Chemikerin in Syrien und wรผrde sehr gerne in Dresden weiter experimentieren und an Recherchen teilnehmen. Ich habe gelernt, dass es einen Flugplatz an der Elbe gegeben hat, Fotos davon gesehen. Ich habe viel vom Friedhof und von den vietnamesischen Betreuer:innen der Internationalen Gรคrten gehรถrt. Es war lehrreich und emotional.“ (Nazanin Zandi)

02.07.2021 – Stadtteilspaziergang

โ€žZusammenwohnen in der Johannstadt – DDR und heuteโ€œ
mit Maryam Aboubakr, Wolfgang Hunger und dem Kรผnstler Moussa Mbarek

Maryam Aboubakr und Wolfgang Hunger nehmen uns mit. Ihr Stadtteil. Die Hauptpost. Die Architektur. Der Rusmarkt. Lebensmittel einkaufen. Freizeit gestalten. Die Vereine. Die Johannstadthalle. Neue Seniorenresidenzen. Unterwegs kaum Menschen. Freitagnachmittag – sind alle in den Gรคrten? Wunderbarer vietnamesischer Garten. Thien Hoa Minh pflegt ihn. Gibt es nur in Dresden.
Reist extra aus Dรผsseldorf an. Schleppt GieรŸkanne um GieรŸkanne und lacht. Weiter zum Trinitatisfriedhof. Viele Dresdner Persรถnlichkeiten. Zurรผck zum Johannstรคdter Kulturtreff, vorbei an Neubauten der Universitรคt und Einkaufsmรคrkten.

Der Kรผnstler Moussa Mbarek mag Tรผren. Durchgรคnge. Neue Welten. Die Teilnehmenden merken sich unterwegs eine besondere Tรผr. Foto auf dem Handy. Beim Workshop kreative Umsetzung. Postkarten entstehen. Tรผr-Postkarten. Symbol oder Hauseingang?

Moussa Mbarek: Gedrucktes Plakat mit Collagen von Teilnehmer:innen
„Unter dem Titel โ€žFenster und Tรผren des Lebensโ€œ begannen wir unseren Stadtteilspaziergang durch die Johannstadt. Jede:r war aufgerufen, besondere Orte, Fenster und Tรผren, zu fotografieren. Der Stadtteilspaziergang fรผhrte uns vorbei an Industriebrachen und durch Tore in zauberhafte Gรคrten. Begleitet haben uns Fragen nach den eigenen verschlossenen oder geรถffneten Tรผren des Lebens. Ein Blick aus dem Fenster des โ€žJetztโ€œ in die Zukunft, die noch vor uns liegt.
Diese Eindrรผcke gestalteten wir zu Collagen im Postkartenformat. Es entwickelten sich Begegnungen, welche die Grundlage fรผr die folgenden Biografie-Kunstworkshops bildeten.“ (Moussa Mbarek)

10. & 17.07.2021 – Biografie-Kunstworkshop

Zwei Workshoptage mit der Kรผnstlerin Nazanin Zandi und dem Kรผnstler Moussa Mbarek

Tag 1 Die Werkstatt im Johannstรคdter Kulturtreff bietet Raum. Gut ausgestattet. Viele Scheren, Linolpresse. In einer Ecke Platz fรผr den Drucker. Und ein langer Tisch zum Ausbreiten. Trocknen der Linoldrucke. Beschรคftigung mit der eigenen Biografie schlieรŸt die Zukunft mit ein. Wo soll der Weg hingehen? Hier in Dresden. Reden. Erzรคhlen. Zuhรถren. Nazanin Zandi ermuntert, Bilder zu entwickeln. Auf dicker, bunter Pappe. Stille. Konzentration. Aufstehen, Material zusammensuchen. Dresden darstellen, Frauenkirche, Johannstadt. Mit Familie oder allein? Die Familie lebt in einem anderen Land. Susanne beschรคftigt die Anonymitรคt. Das Leid, die Einsamkeit der Nachbarn. Nicht hinschauen. Dresden der Zukunft wird menschlicher. Mit Sprechblasen werden Sprรผche hinzugefรผgt. Moussa Mbarek ist Spezialist fรผr Linolschnitt. Die Linoleumplatten liegen bereit. Grau. Mit dem Werkzeug ein Negativmuster hineinschneiden. Die Tรผren der Johannstadt. Einlass zu einer bunten Welt. Was gibt Kraft im Alltag? Wรผnsche. Gesundheit. Magie? Christine denkt an ihre Kindheit. Ihre Lieblingspuppe. Geborgenheit. Gesprรคche. Wer hatte welches Spielzeug? Dramen beim Verlust. Regina ist auf Heimaturlaub. Erzรคhlt vom Leben in der Fremde. In Shanghai. Vor der Auswanderung alles aussortieren. Mitteilen. Schreiben. Postkarten. Postkarten? Selbst erstellen. Zusammenfassung des Lebens. Wรผnsche. GrรผรŸe aus Dresden. Bemalte A5 Papiere. Yvonn bedient den Drucker. Bunte Karten als Ergebnis. Freude.

Tag 2 Viele neue Teilnehmende. Neugier. Einen ganzen Tag fรผr das eigene Leben. Biografiearbeit. Vorstellen der Mรถglichkeiten. Briefe an sich selbst. Briefe an morgen. Das Wichtigste im Leben. Meine Wรผnsche. Die grรถรŸten ร„ngste. Mahsa schreibt. Susanne schreibt. Inge schreibt. Die Kinder schreiben. Die Mรคnner nicht. Nazanin zeigt Wege, den Umschlag zu gestalten. Einen Biografie-Umschlag. Konzentration. Moussa betreut die Linolschnitte. OstZONE. Ibrahim fragt. Erklรคrungen. Ostdeutschland. DDR-Zeit. Bruderstaaten. Kurden? Lange Gesprรคche. Frieden. Friedenssymbole. Dresden im Frieden. Familie grรผnden. Persรถnliches Glรผck.

An langen Leinen hรคngen die Linoldrucke zum Trocknen. Bunt. Viele Geschichten. Viel Gegenwart. Viel Zukunft.

Moussa Mbarek: Collagen und Linoldruck
„Persรถnlichen Impulsen folgend, haben wir gemeinsam mit Nazanin Zandi Collagen erarbeitet, die durch die Form des Comics besonderes Leben bekamen. Ergรคnzend haben wir mit der Methode des Linoldrucks Ereignisse und Erfahrungen sichtbar gemacht. Denn der Linoldruck funktioniert genau wie die Erinnerung: es werden nur die hochstehenden Teile der Druckplatte gedruckt.
Im zweiten Teil konnte jeder einen Brief an die Zukunft gestalten. Geschrieben, collagiert, gedruckt. Alles war mรถglich. Der Fokus lag hier im Bereich der inneren Auseinandersetzung mit Fragen wie: Wer bin ich? Was macht mich aus? Welche Hoffnungen und Ziele habe ich? Was wird die Zukunft fรผr mich bringen?
Die Zeit war zu kurz, um der Vielfalt der Geschichten und Gesprรคche zwischen den Teilnehmer:innen gerecht zu werden. Susanne erzรคhlte von dem Tag, als hinter der WG-Tรผr ihrer Freundin ein lauter Schrei ertรถnte. Sie hatte verschlafen, dass die Mauer gefallen war. Eine andere Besucherin verlieรŸ Dresden und ging nach Shanghai. Sie hat dort ihr Glรผck gefunden. Der Traum eines weiteren Besuchers war seine Fata Morgana, eine schรถne Frau am Strand zu treffen. Ein anderer schnitzte die Erinnerung an seine Freundin, die noch in der Heimat ist. Sein Blick zurรผck und sein Wunsch an die Zukunft.
Fรผr mich war es ein Blick in ein Land, das ich nicht kenne, und eine Begegnung mit meinen neuen Nachbarn. Ein Ort, an dem alle gleich waren und wir uns รผber die Bilder verstehen konnten.“ (Moussa Mbarek)

03.07.2021 – Podiumsgesprรคch

Russland/Sowjetunion – groรŸer Bruder? mit Heidi Bohley (Unabhรคngige Frauen fรผr den Frieden, Neues Forum), Evelyn Harz (Lehrerin Romain-Rolland-Gymnasium, ehemalige EOS โ€žRomain Rollandโ€œ), Igor Eidman (Soziologe, Vorsitzender Forum russischsprachiger Europรคer e.V.)
Moderation: Marcus Oertel | Live-Visualisierung, Dokumentation: Antje Dennewitz

Evelyn Harz: Studium in der Sowjetunion. Armut. Kรคlte. Tote Babys in den Krankenhรคusern. Leben im Wohnheim. Kubanische Nachbarn. Erste Liebe. Auswanderung nach Kuba. Rรผckkehr in die DDR. Heidi Bohley: beeindruckt vom Prager Frรผhling. 1968. Panzer. Stiller und lauter Widerstand in der Familie. Neue Formen der Kommunikation mit ihrer Schwester Bรคrbel. Frauen fรผr den Frieden. Igor Eidman: verschiedenen Zeiten in Russland. Die Intelligenz. Auflรถsung Ostblock. Die Krim. Exil. Das Leben in Deutschland und die Verbindung zur russischsprachigen Community. Unterscheidung zwischen Regierung/Politik und den Menschen. Erinnerungen aus dem Publikum: Alltagsbegegnungen mit Russen. Gut ausgekommen. Mit Putin gesprochen. Fahren seit der Wende gerne nach Russland. Andere Stimmen berichten von Kontaktverbot, drakonischen Strafen fรผr die Russen bei Missachtung. Armut in den Kasernen. Lumpen an den FรผรŸen. Zum Abschluss des Gesprรคches viel Dank. Wann ist die nรคchste Veranstaltung? Antje Dennewitz hรคlt die Fragen und Erinnerungen als Graphic Recording fest.


Das Projekt Treffpunkt ostZONE. Erinnern und gestalten wird gefรถrdert durch das House of Resources Dresden +. Diese MaรŸnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sรคchsischen Landtag beschlossenen Haushaltes im Rahmen des Landesprogrammes Integrative MaรŸnahmen.