Doch, bestimmt. Mariela hat in Freyburg Romanistik studiert. Wer studiert, ist auch neugierig, wissbegierig und auf der Suche nach Kenntnissen. Sie lebt seit 20 Jahren in Europa, seit 18 Jahren in Deutschland und ist ganz in der Nähe zu Hause, sonst wäre sie nicht mit ihrer Tochter zum Fest auf die Hauptstraße gekommen.
Und während Valentina fleißig deutsche Worte stempelt und malt, unterhalten wir uns weiter über diese, Mariela so nervende Frage.
Dabei erklärt sie mir, dass ihr das in Venezuela nie zu Ohren kam. Bei uns ist das ganz einfach. Wenn ein Mensch weder eine schwarze Hautfarbe hat noch indianische Züge trägt, ist er oder sie ein Immigrant oder ein Kind selbiger. Fertig. Das sieht man und fragt nicht weiter. Hier fragen so viele und Mariela hat eben nicht das Gefühl, dass das nur Neugier ist. Da sie schon in mehreren Teilen Deutschlands wohnte, schätzt sie ein, dass im Süden und Westen mit subtiler Feindlichkeit und im Osten schon mit direkter Feindlichkeit gefragt wird.
Warum braucht es immer einen Stempel? Dabei schaut sie besorgt auf ihre Tochter. Mariela selbst ist aus ihrer Heimat weggegangen, weil die Lebensumstände katastrophal waren, Korruption und Gewalt das Land beherrschten. Sie möchte, dass ihre Tochter keine Gewalt erfährt, hört jedoch, dass schon manche Fragen Gewaltpotential haben.
Für Mariela ist das Leben einfach, ist ihre beste Freundin eine schwarze Schöne, Zigeuner eine spezielle Kultur, die sie interessant findet und hat Glaube nichts mit Amtskirche zu tun.
„Warum wird hier alles so hochgehängt“, fragt sie. „Warum müssen Kinder um 18.00 Uhr Abendbrot essen? Und warum ist alles so streng geregelt? Das Leben ist nicht schwer, wir machen es uns schwer.“
Zu Hause bei Mariela wird grundsätzlich Deutsch gesprochen. Trotzdem gelingt es ihr nicht, alles zu übertragen. Manche Gefühle bleiben in der Muttersprache einfach stärker, Flüche wie Liebesbeweise.
Sie gibt mir das Wort Beziehungssprache mit. Die Beziehungssprache ist für sie die Sprache, in der sie mit ihrem Mann spricht und das ist Deutsch. In anderen Beziehungen ist das vielleicht Englisch oder Spanisch oder Französisch. Diese Sprache bestimmt dann das Leben und das Miteinander.
Mitgefühl hat sie mit ihren Landsleuten und mit allen Menschen, die aus verschiedenen Ländern nach Deutschland kommen und lebensälter sind. „Mit Mitte 20 kann man alles lernen, auch wenn man müde ist. Ab Anfang 40 ist das schon schwieriger.“
Und dann gibt sie mir noch einen Zungenbrecher auf Spanisch und ein Sprichwort mit, dass wir hier auch kennen.
Rosa Hauch
Dresden spricht …
Workshops, Rundgänge, Schreib- und Druckwerkstätten unter dem Motto „Sprache und Schrift. Dresden spricht viele Sprachen“
Zeitraum
03-12.2024
Projektbeteiligte
Yvonn Spauschus (Projektleitung)
Yulia Vishnichenko · Moussa Mbarek · Nadine Wölk · Rosa Brockelt · Yuliya Firsova · Martin Mannig (Workshopleitung)
Rosa Brockelt · Rosa Hauch · Falk Goernert · Birthe Mühlhoff (Moderation und Dokumentation)
Adina Rieckmann · Lydia Hänsel (Tourguides)
Inge · Mahsa · Karin (Ehrenamtliche Hilfe)
Kooperationspartner:innen
JugendKunstschule Dresden – Standort Passage, Omse e.V., Nachbarschaftshilfeverein, Stadtteilverein Johannstadt e.V., Malteser Hilfsdienste e.V., Montagscafé am Staatsschauspiel Dresden sowie Chinesisch-Deutsches Zentrum e.V., Lebenshilfe Dresden e.V., GEH8 Kunstraum und Ateliers e.V., Umweltzentrum Dresden – ABC Tische, Internationale Gärten Dresden e.V, ColumbaPalumbus e.V., Ausländerrat Dresden e.V., Blinden- und Sehbehindertenverband, Löbtop e.V. und viele mehr
Gefördert durch
Das Projekt wird gefördert durch das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt. Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes im Rahmen des Landesprogrammes Integrative Maßnahmen.