Basteln und zuhören im Montagscafé

Für die unterschiedlichen Dresdner Nachbarschaften ist das Kleine Haus zu einer festen Adresse als Gemeinschafts- und Begegnungsort geworden. Hier sind wir nicht zum ersten Mal, doch ist es immer wieder spannend zu sehen, wer an einem Montagnachmittag zum gemeinsamen Reden, Hören und Tun vorbeikommt.

Text: Rosa Brockelt · Fotos: Yvonn Spauschus

Zu Beginn des Cafés sind wie immer nur Frauen da, heute eine fröhliche Gruppe aus der Türkei, einige Damen aus Afghanistan und eine Gruppe venezolanischer Frauen, die sich zur Essensplanung des anstehenden Festivals mit Maike besprechen.

Wir basteln gemeinsam an den Häusern und tauschen uns trotz Sprachbarriere nebenbei mit Tuba, Yüksel und Selva über Namen, Sprachen und sonstige Lebenserfahrungen aus. Irgendwann setzt sich Cordula zu uns, die regelmäßig im Café einen Deutsch-Stammtisch anbietet. „Ich komme ursprünglich aus der Nähe von Stuttgart und bin vor ein paar Jahren für meine Tochter und meine Enkel nach Dresden gezogen“ erzählt sie. „Ich war Lehrerin und habe eine Zeit lang in Deutschkursen für Geflüchtete unterrichtet. Das war aber auf Grund der Bedingungen und der fehlenden Verbindlichkeit sehr frustrierend und ich habe nach einer Weile wieder aufgehört. Stattdessen habe ich mir motivierte Leute gesucht und mit ihnen privat an ihren Sprachkenntnissen intensiv gearbeitet. Meine „Privatschüler“ sind heute überall verstreut: einer ist in Frankreich, einer in Köln, mit den meisten habe ich jedoch keinen Kontakt mehr.“

Montagscafé - Dresdner Nachbarschaften © Y. Spauschus

Als die kleinen Häuser ausgestellt und das Material wieder aufgeräumt ist, schließe ich mich Julia Tieke und Katja Heiser an, die mit einem Teil der Montagscafé-Gäste einen Hör-Rundgang der Neustadt machen. Das Konzept ist sehr spannend: Julia, die in ihrem Alltag als Radiomacherin viel mit Tonaufnahmen arbeitet und Katja, die sich in Theaterprojekten mit dem Zuhören beschäftigt, stellen mit diesem neuen Format das aktive Zuhören in den Vordergrund. Der Spaziergang führt uns an verschiedene Orte und wir werden gebeten, alle Geräusche aufzuschreiben, die wir hören. Beim Lauschen der Geräuschkulisse merke ich, wie mein Gehör immer mehr wahrnimmt und differenziert. Während am Anfang in meiner Liste allgemeine Einträge wie „Auto, Brunnen, Straßenbahn“ zu lesen sind, werden die Notizen nach und nach detaillierter. „Frau spricht slawische Fremdsprache“, „Fahrradständer wird ausgefahren“ oder „Geräusch der Autoreifen beim Überqueren der Schienen“ stehen weiter unten und ich wundere mich, was ich alles erkenne, obwohl ich normalerweise diese Geräusche gar nicht wahrnehme.

Montagscafé - Dresdner Nachbarschaften © Y. Spauschus

Eine der Etappen machen wir in der Markthalle, die unnatürlich leise und ungemütlich leer wirkt. Dort spricht mich mitten in der Übung der Mann vom Sicherheitsdienst an und fragt, was wir da machen. Man erkennt sofort die Zweifel in seinem Gesicht, als ich versuche, ihm das Konzept zu erklären. „Ja, aber wozu macht ihr das alles?!“ Mein „Um die Welt mal anders wahrzunehmen“ scheint er nicht zu akzeptieren. Inzwischen ist Schließzeit, da begleitet er uns geschwätzig noch bis zum Ausgang – den Sinn unserer Übung sieht er vermutlich noch immer nicht, als er sich von uns verabschiedet und die Eingangstür hinter sich abschließt.

Mir hat der Spaziergang jedenfalls sehr gut gefallen: im Allgemeinen gebe ich visuellen Eindrücken die Priorität. Das Augenschließen und aktive Zuhören hat mir gezeigt, wie ungewohnt und spannend sich die Welt anfühlen kann, wenn man sie durch andere … ehm … Ohren wahrnimmt. Und ich nehme mir vor, auch im Alltag mal die Augen zu schließen und meiner Umgebung zu lauschen.


Mehr Informationen

Montagscafé · Staatsschauspiel Dresden
Galcisstraße 28 · 01099 Dresden
Ansprechpartner:innen: Wanja Saatkamp & Maike von Harten
Mail: montagscafe@staatsschauspiel-dresden.de

Telefon: 0351 4913 617


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Gefördert durch

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