🔊 | Läuft bei mir … manchmal unrund

Ein etwas anderer Laufbericht
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Wenn ich vom Laufen rede, rede ich von Marathons, die ich auch international schon gelaufen bin. Am liebsten rede ich von Läufen in den USA. Dort ist die Stimmung am besten, die Musik professionell und die Leute unglaublich herzlich. Sie geben mir das Gefühl, dass dieser Lauf allen gut tut und wenn sie meinen Namen rufen, weil der auf der Startnummer steht, klingt das, als wären wir alte Bekannte.

In Wahrheit gibt es zwischen uns nur diese wenigen Sekunden und eine Sprache. Diese Sprache, die ich sechs Jahre in der Schule und vor fast 40 Jahren ein paar Semester an der Uni lernte, um sie auf Marathonreisen zu nutzen.

Meine Aufgabe: Wecke Milliarden Neuronen für wenige Tage aus dem Tiefschlaf. Das passt denen gar nicht. Es wird anstrengend.
Ich wollte ich mich als Austauschläuferin der Dresden-Columbus-Gesellschaft auch würdig erweisen und mein Bestes geben. Im Laufen und in der Sprache.

Mit den Milliarden Neuronen habe ich noch jemanden geweckt. Der Typ heißt Ehrgeiz, ist in einem Oma-Kopf sicher weiblich, also die Ehrgeizige, und nimmt ihren Job sehr ernst. Eine Journalistin und Deutschlehrerin für Migranten ist es gewohnt, sauber, gut und richtig zu sprechen, idealerweise originell zu formulieren und steht nun da, sucht Worte und baut englische Sätze, wie im Deutschen. OMG.

Ich mache genau das, was ich meinen Lernenden täglich abtrainiere. Wenn du Deutsch sprichst, vergiss deine Muttersprache und lass dich auf eine andere Dynamik ein. Hören und Sprechen. Hören und Sprechen, nicht erst im Kopf übersetzen und keinesfalls die digitalen Helferchen des Handys nutzen.

Übersetzertools sind immer da. Das checken die Neuronen am schnellsten und wissen sicher, dieses muss sich keiner merken. Wenn ich es brauche, suche ich wieder und werde zuverlässig finden.

Sprechen in einer fremden Sprache ist anstrengend. Worte finden ist nicht einfach. Das peinliche Gefühl, Fehler zu machen, gilt es zu ignorieren. Das kostet Kraft. Zu wissen, dass man nicht sofort alles auf die Straße bringt, auch. Je höher der eigene Anspruch, umso erschöpfter ist man auch.

Auch das habe ich meinen Sprachlernenden am ersten Unterrichtstag nach meinen Marathonferien gespiegelt. Ich verstehe euch nun neu wieder besser, kann nachvollziehen, wie unbeholfen man sich fühlt, wenn zu schnell gesprochen wird.

Bei all den Gesprächen, die ich in Columbus hatte, fragte nur eine Frau, ob sie zu schnell sprechen würde. Dreimal kannste raten, welchen Job sie hat … Sie hatte an der Dresdner Internationalen Schule als Englischlehrerin gearbeitet.

Englisch, Englisch, Englisch, Englisch und auf einmal spricht jemand Deutsch. Diese Worte hörst du immer. Und was passiert? Du suchst diese Insel, um ein paar Sätze zu sprechen. Das wirkt wie eine Insel im Ozean, wie eine Oase in der Wüste. Zu Hause hätte man sich vielleicht gar nicht angesprochen, so schon.

Auf dem Heimflug höre ich stundenlang Christine Westermann in ihrem Podcast zu und was sie da sagt, kommt mir bekannt vor. Es geht um Italienisch und dass sie viel versteht, aber nicht spricht, schließlich hat sie als Journalistin einen hohen Anspruch an ihre Sprache … Willkommen im Club.

Fazit: Augen auf bei der Berufswahl. Doch das wäre zu einfach.

Fakt ist, wenn der ursprüngliche Beruf etwas mit Sprache zu tun hat, verschieben sich die Maßstäbe beim Lernen einer neuen Sprache. Für eine Bäckerin oder einen Friseur scheint es leichter zu sein, in einem neuen Land, in einer neuen Sprache Fuß zu fassen. Beide können schneller ihrer angestammten Tätigkeit nachgehen, der Fachsprache sei Dank. Doch als Journalistin oder Dozent braucht es zuerst ein der Muttersprache vergleichbares Sprachniveau, um gleichermaßen durchzustarten und dafür ist der Weg etwas länger als ein Marathon.

Rosa Hauch


Dresden spricht …

Workshops, Rundgänge, Schreib- und Druckwerkstätten unter dem Motto „Sprache und Schrift. Dresden spricht viele Sprachen“

Zeitraum
03-12.2024

Projektbeteiligte
Yvonn Spauschus (Projektleitung)
Yulia Vishnichenko · Moussa Mbarek · Nadine Wölk · Rosa Brockelt · Yuliya Firsova · Martin Mannig (Workshopleitung)
Rosa Brockelt · Rosa Hauch · Falk Goernert · Birthe Mühlhoff (Moderation und Dokumentation)
Adina Rieckmann · Lydia Hänsel (Tourguides)
Inge · Mahsa · Karin (Ehrenamtliche Hilfe)

Kooperationspartner:innen
JugendKunstschule Dresden – Standort Passage, Omse e.V., Nachbarschaftshilfeverein, Stadtteilverein Johannstadt e.V., Malteser Hilfsdienste e.V., Montagscafé am Staatsschauspiel Dresden sowie Chinesisch-Deutsches Zentrum e.V., Lebenshilfe Dresden e.V., GEH8 Kunstraum und Ateliers e.V., Umweltzentrum Dresden – ABC Tische, Internationale Gärten Dresden e.V, ColumbaPalumbus e.V., Ausländerrat Dresden e.V., Blinden- und Sehbehindertenverband, Löbtop e.V. und viele mehr

Gefördert durch

Das Projekt wird gefördert durch das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt. Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes im Rahmen des Landesprogrammes Integrative Maßnahmen.