7 Prozent der Bevölkerung haben Schwierigkeiten, komplexe Texte zu verstehen – und das, obwohl Deutsch ihre Muttersprache ist.
Deshalb haben Wissenschaftler einige Regeln herausgearbeitet. Wenn man diese befolgt, werden Worte und Sätze einfacher und übersichtlicher: Das ist die Leichte Sprache.
Aber was entsteht eigentlich, wenn Leute, die Schwierigkeiten mit dem Lesen haben, die Gelegenheit bekommen, ein eigenes Heft mit Sprache zu gestalten?
Wir waren mit unserer Illustratorin Rosa zu Gast bei der Lebenshilfe Dresden e.V. Wir kamen mit buntem Papier und unzähligen Koffern voller Filzstifte, Stempel, Klebebänder und Schablonen. Fünf Teilnehmer*innen ganz unterschiedlichen Alters hatten sich bereits ihre Plätze gesucht. Nun galt es zunächst, ein DIN-A4-Blatt so zu falten und einzuschneiden, dass sich ein Heft mit vier Blattseiten, also acht Flächen, ergibt. Und das mit Worten zu beschreiben, ist natürlich schwieriger als wenn man es gezeigt bekommt: Dreimal quer, einmal längs, dann wieder auffalten und die innenliegenden Faltkanten aufschneiden. Wenn man dann das Blatt geschickt zusammenschiebt, ergibt sich das Heftchen beinahe wie von selbst. Rosa nennt das einen „Zine“-Workshop, das kommt vom englischen Wort für Zeitschrift, magazine.
Und dann ging es los mit dem Gestalten! Antje überlegte. Andreas wusste gleich, was er braucht, nämlich die ganz großen Buchstabenstempel A, U, T und O. Und auf die fünfte Seite malte er ein zierliches eckiges Fahrzeug. Ein Nissan? frage ich. Nein, ein Trabant natürlich! Die letzten drei Seiten bekommen die Buchstaben E, I und S und eine kleine bunte Eistüte. Das ist dann ein Eis, das man im Auto mitnehmen kann, ein Auto-Eis. In seinem zweiten Heftchen zeichnete Andreas dann Straßenbahn, Bus, Haus und Apfel – und gab dem Buch den Titel „Urlaubsreise“.
Dass Patrick gleich am Anfang sagte, er könne aber nicht schreiben, sollte nicht so stehen bleiben. Gemeinsam mit uns gestaltete er sein ganz eigenes ABC, auf das er am Ende auch mächtig stolz war. Zu jedem Buchstaben, der ihm einfiel, schrieb er ein Wort: B wie Bär, E wie Eklig, W wie „Wlke“ (wozu braucht es eigentlich das „o“, wenn doch klar ist, dass eine Wolke gemeint ist?).
Aber mit Buchstaben kann man auch zeichnen! Unter der Anleitung von Rosa stempelte Katrin aus Buchstaben ein Katzengesicht und dann auch noch eine dazugehörige Maus. Peter machte es ähnlich und stempelte aus unzähligen K’s einen Schmetterling. Vielleicht weil das K ein wenig aussieht als hätte es zwei Flügel? Dann zeichnete er noch Blumen, die der Schmetterling besucht. Denn das ist in der Wirklichkeit genauso, erklärt er mir. In schönster, sorgfältiger Schreibschrift formuliert er die Geschichte – und fragt mich, ob Impressum mit Doppel-S geschrieben wird? Denn das darf natürlich nicht fehlen. Erste Auflage: Juni 2024.
Birthe Mühlhoff
In Deutschland haben etwa 6,2 Millionen Menschen Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben. Das entspricht etwa 7,5% der Bevölkerung. Darüber hinaus gibt es Menschen, die die leichte Sprache bevorzugen, um Informationen besser zu verstehen. Die leichte Sprache richtet sich an Menschen mit Lernschwierigkeiten, Menschen mit geringen Deutschkenntnissen und an alle, die komplexe Informationen einfacher verständlich haben möchten.
Dresden spricht …
Workshops, Rundgänge, Schreib- und Druckwerkstätten unter dem Motto „Sprache und Schrift. Dresden spricht viele Sprachen“
Zeitraum
03-12.2024
Projektbeteiligte
Yvonn Spauschus (Projektleitung)
Yulia Vishnichenko · Moussa Mbarek · Nadine Wölk · Rosa Brockelt · Yuliya Firsova · Martin Mannig (Workshopleitung)
Rosa Brockelt · Rosa Hauch · Falk Goernert · Birthe Mühlhoff (Moderation und Dokumentation)
Adina Rieckmann · Lydia Hänsel (Tourguides)
Inge · Mahsa · Karin (Ehrenamtliche Hilfe)
Kooperationspartner:innen
JugendKunstschule Dresden – Standort Passage, Omse e.V., Nachbarschaftshilfeverein, Stadtteilverein Johannstadt e.V., Malteser Hilfsdienste e.V., Montagscafé am Staatsschauspiel Dresden sowie Chinesisch-Deutsches Zentrum e.V., Lebenshilfe Dresden e.V., GEH8 Kunstraum und Ateliers e.V., Umweltzentrum Dresden – ABC Tische, Internationale Gärten Dresden e.V, ColumbaPalumbus e.V., Ausländerrat Dresden e.V., Blinden- und Sehbehindertenverband, Löbtop e.V. und viele mehr
Gefördert durch
Das Projekt wird gefördert durch das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt. Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes im Rahmen des Landesprogrammes Integrative Maßnahmen.