
Was haben Barbara, Bui, Hung, Inge, Luis und Wolfgang gemeinsam?
Sie leben schon seit รผber 40 Jahren in Dresden. Wie erinnern sie sich an die DDR-Zeit? Wie gestaltete sich der Alltag, das Leben in der DDR, insbesondere auch von Zugewanderten?
Und Akam, Christine, Douha, Mahsa oder Rita, zugezogen nach der Wiedervereinigung oder wรคhrend der Fluchtbewegungen 2015? Welchen Bezug haben sie zu dem Land, das es bei ihrer Ankunft in Dresden schon gar nicht mehr gibt?
Treffpunkt ostZONE ermรถglichte das Erinnern, Erzรคhlen und Hinterfragen der eigenen Erlebnisse in der DDR-Zeit. Die Erinnerungen sind in den Erlebniswelten der Menschen verankert und sehr verschieden. Bei jedem sind sie von anderen, bestimmten Bildern geprรคgt. Welche Erinnerungen sind vorhanden, was und wie wird erinnert? Gibt es Schnittstellen mit den Erinnerungen der anderen?
Die Kรผnstler:innen unseres Projektes regten die Teilnehmenden in den Marktcafรฉs, Stadtteilspaziergรคngen, Podiumsgesprรคchen und Biografie-Kunstworkshops an, ihre Erinnerungen durch und mit der Kunst sichtbar zu machen.
Das Ergebnis: Die Teilnehmenden gestalteten ausdrucksstarke Werke und es entstand eine umfangreiche Sammlung. Die Erinnerungen an oder รผber die DDR-Zeit werden immer vielstimmiger und bereichern die Erinnerungskultur.
Einige der Werke werden hier prรคsentiert. Wir wรผnschen viel Spaร beim Stรถbern.
Gorbitz
18.06.2021 – Marktcafรฉ und Stadtteilspaziergang โZuwanderung in der DDR โ gestern und heuteโ mit Anja Maria Eisen
Visual Facilitation
Anja Maria Eisen
Collagen auf Papier / A5



Collagen
Gemeinschaftsarbeiten der Teilnehmenden
Leinwand, Textil- und Papier
40cm x 30cm



Fragmente der Erinnerung wurden mit den Teilnehmenden zu einem Ganzen zusammengesetzt. So entsteht eine groรe Assoziationsflรคche, die den Betrachtenden die Mรถglichkeit bietet, sich in diesem Kosmos zu entdecken.
โIch denke, also bin ich.โ
Collage Teilnehmerin
30cm x 20cm / Leinwand, Textil- und Papier

19./26.06.2021 – Biografie-Kunstworkshop ErinnerungsCOLLAGEN | Projektbรผcher
mit Nadine Wรถlk
Erinnerungsbรผcher
Nadine Wรถlk, Werke der Teilnehmenden
Upcycling / alte Dokumente, SW Kopien, Urkunden, Fotos



Erinnerungsfetzen bzw. Sequenzen, Rezepte, Zitate, Konzepte, Merksรคtze, Erkenntnisse, Witze und Philosophische Ansรคtze – Die eigene Reflexion ermรถglicht eine Auseinandersetzung mit dem DAMALS und HEUTE. Nadine Wรถlk erstellte die Bรผcher einzeln in Handarbeit. Die Teilnehmenden fรผllten sie mit ihren Erinnerungen
Johannstadt
02.07.2021 – Marktcafรฉ mit Autoren des Stadteilmagazin โZeileโ und Nazanin Zandi
Visual Facilitation
Nazanin Zandi
Papier / A5




Nazanin Zandi รผber die Veranstaltung
โBei dem Marktcafรฉ in Johannstadt haben mich die biografischen Erinnerungen der Anwesenden sehr beeindruckt. Wolfgang Hunger hat รผber seine Jugend und seine damalige Zeit als Arbeiter im Plattenwerk gesprochen. Er war fรผr Fliesen und Intarsien zustรคndig, dies habe ich in den Grafiken gezeichnet. Und er hat uns von seiner Kindheit erzรคhlt, von Panzern auf Brรผcken und von den „Sperrgebieten“, in denen Vertragsarbeiter:innen gewohnt haben, getrennt von der DDR-Realitรคt, die drauรen stattfand. (…)โ
โFenster und Tรผren der Johannstadtโ
Moussa Mbarek und die Teilnehmenden
Gedruckte Collagen / Papier / Postkartenformat DIN lang



Begleitet haben uns Fragen nach den eigenen verschlossenen oder geรถffneten Tรผren des Lebens. Eine Tรผr schlรคgt zu, eine andere รถffnet sich. Nur wer sich erinnern kann, weiร, wer er ist.
Graphic Recording
Antje Dennewitz
Stifte, Papier / A0

10./17.07.2021 – Biografie-Kunstworkshop โMomente des Lebensโ – Erfahrungen und Erinnerung
mit Moussa Mbarek und Nazanin Zandi
Linoldruck
Werke der Teilnehmenden
Papier / A4



Viele Erinnerungen des Lebens verschwinden, werden weggeschnitten und bleiben unsichtbar. Manche bleiben ewig, wie beim Linoldruck, bei dem nur die hochstehenden Teile gedruckt bleiben.
10./17.07.2021 – Biografie-Kunstworkshop โWer bin ich?โ Erfahrungen und Erinnerung im Comicstyle
mit Moussa Mbarek und Nazanin Zandi
Collage im Comicstyle
Gemeinschaftsarbeit der Teilnehmenden
Papier, Karton, Stifte / 120 x 50

Moussa Mbarek รผber die Veranstaltung
โPersรถnlichen Impulsen folgend, haben wir gemeinsam mit Nazanin Zandi Collagen erarbeitet, die durch die Form des Comics besonderes Leben bekamen. Ergรคnzend haben wir mit der Methode des Linoldrucks Ereignisse und Erfahrungen sichtbar gemacht.(…)โ
Neustadt
Objekte / Visualisierung / Fotografie
Susan Donath


Kรผnstlerische Auseinandersetzung zum Umgang mit Stasiakten in Auseinandersetzung mit der eigenen Familie
Zeichnungen
Elena Pagel
Karton / A1


Fotografie
Susan Donath

LETZTE WORTE der Teilnehmenden
โMich hรคtte es mehrmals nicht gegeben, eine Bombe explodierte neben meinem Opa, eine Kugel streifte den Helm von meinem Vater, eine Friedensflagge in Weiร auf dem Balkon meiner Mutter war Anlass fรผr einen Schuss von einem Scharfschรผtzen…โ
โSo viele Fragen noch offen, die jungen gestorbenen Mรคnner von 1952, …โ
โDiese Grรคber hier der sowjetischen bzw. russischen Soldaten sind die einzigen sichtbaren Zeichen fรผr die Prรคsenz dieser Menschen hier in Dresden (1945-1992).โ
โะฏะฝะฐ ะะพัะธัะพะฒะฐ, geboren und gestorben in 1987 Dresdenโ
โDas ist eine Tropfenform… du hast es bemerkt, in Russland oder Osteuropa ist sie Standard. Ich habe mir bisher keine Gedanken gemacht, aber nach deiner Bemerkung, habe ich angefangen darรผber nachzulesen, welche Bedeutungen die Kranzformen in der Trauerfloristik in Russland haben. Frรผher, in der UDSSR waren die Trauerkrรคnze nur in Tropfenform. In jรผngerer Zeit (Einfluss von Europa, scheinbar) gibt es auch Herz- und Kreisformen. Krรคnze in ovaler oder tropfenfรถrmiger Form sind ein Symbol fรผr Kummer, Traurigkeit und Leidens des Herzens und der Seele…โ
โDanke fรผr diesen Einblick und das Gesprรคch mit und in der Gruppe. Sie haben mich an etwas teilhaben lassen.โ
โMich bewegen die Namen, ihre Geschichten, ihre Biografien.โ
Prohlis
BENUZ
Leinwand, Acryl / 60 x 60

Benuz รผber die Veranstaltung
โIch habe die Veranstaltung mit meiner Assoziationsmalerei begleitet. Ich habe fรผr meine Malerei bunte Farben genommen, weil unsere Welt bunt und vielfรคltig ist, auch in Dresden.
Auf der Leinwand ist das Gesicht vom abstrakten Prototypen eines Menschen im Kalligrafie-Stil gezeichnet. Kalligrafie-Stil bedeutet fรผr mich viel. Diese Technik entdeckt man in vielen alten Kulturen: Griechenland, China, Japan, Korea. Es gibt westliche, hebrรคische, arabische und slawische Kalligrafie.
Ich habe unter anderem die folgenden Begriffe bei den Gesprรคchen der Teilnehmer gehรถrt und diese ins Bild als Buchstaben, Worte und grafische Elemente integriert: Heimat, Mรถglichkeiten, Hoffnung, typisch, Land, Entscheidung, Erinnerung, Schuld.
Sehr oft, besonders in Dresden, hรถre ich, wie wir Auslรคnder von manchen Einheimischen kritisiert und gehasst werden. Das tun meistens die Deutschen, die gar nichts fรผr die eigene Heimat machen, die nur nehmen und haben mรถchten.
Die Meinung einer Zeitzeugin vom Podium hat mir sehr gefallen und ich teile das auch mit: ‚Am Ende ist nicht wichtig, woher Menschen kommen, sondern was sie fรผr Gesellschaft und Kultur tun.’โ
3D Objekte
Objekte der Teilnehmenden
Packpapier, Acrylfarben, Deko-Material



โMeine erste Maskeโ von Wolfgang Scheder (Maske Mitte)
โIn meinem Leben brauchte ich keine zwei Gesichter. Das รคnderte sich an einem Tag im September 2021.
Beim Biografie-Kunstworkshop wollte ich einfach nur zusehen, wie sich die Anwesenden gestalterisch betรคtigen, bis ich von Frau Wagner dazu animiert wurde, etwas aus Papier zu basteln. Ihre Idee, eine Maske zu gestalten, nahm ich gern auf. Nachdem sie mich, eigentlich meinen Kopf eingewickelt hatte, begann ich mit der weiteren Ausformung des Materials. So bin ich nun mal.โ
โTschernobylโ
Evgenia Natzschka
3D Objekt, Packpapier, Acrylfarben, Deko-Material

โNuklearkatastrophe von Tschernobyl, 26.07.1986โ von Evgenia Natzschka
โIch war noch in der Grundschule, nicht vollendete 10 Jahre alt. Es war Wochenende und ich freute mich schon den ganzen Tag darauf, drauรen mit Freunden zu spielen. Meine Eltern waren ganz komisch. Ich durfte raus gehen und meine Gedanken waren weit weg – auf dem Spielplatz, der grรผnen Wiese, beim Fahrradfahren und dem unendlich schรถnen Fluss. Ich hatte endlich mein erstes Fahrrad in diesem Jahr. (Es war zu kontaminiert, um es dann abzuholen). Ich habe niemanden drauรen gesehen. Die Straรen waren leer. Die Luft fรผhlte sich so rein an, es hatte bestimmt geregnet in der Nacht. Eine Weile spรคter rief mich Mutter nach Hause zurรผck. Als ich reinkam, sprach im Radio ein Mann. Wir wurden mit Bussen fรผr eine Weile aus der Stadt gebracht. Wir sollten nur fรผr ein paar Tage was mitnehmen.
Ich erinnere mich an das Fahren in einer Bus-Kolonne. Alle waren freundlich und nachdenklich. Ich bin niemals wieder in mein Zimmer, meine Wohnung und die Stadt zurรผckgekommen.
Man fรผhlte sich immer noch wie mit einem schweren Stein innen drin. Wie ein unerreichbarer Berg ist geblieben, wo ich ein Kind sein durfte.โ
Individuelle und gemeinsame Werke der Teilnehmenden
Tusche, Acryl. Papier / A4

Heimat, Mรถglichkeiten, Hoffnung, typisch, Land, Entscheidung, Erinnerung, Schuld. All diese Begriffe sind Grundlagen der verschiedenen Kalligrafien der Teilnehmer:innen.
Gemeinschaftsarbeit der Teilnehmenden
Leinwand, Tusche, Acryl, Spray
300 x 210 cm

Sรผdvorstadt
Xenia Gorodnia
Textil, Stoff, Faden / 60 x 40

Die Veritas-Nรคhmaschine, der Alltagsgegenstand der vietnamesischen Vertragsarbeiter:innen in der Textilindustrie der DDR.
Erinnerungen der Teilnehmenden
Arrangement von Xenia Gorodnia
Plakat, Collagen
Papier / 60 x 40

Collage
Werke der Teilnehmenden
Gips, Holz / 60 x 60

Das Formsteinsystem der Kรผnstler Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht besteht aus 12 Grundsteinen und bildet die Grundlage zur Auseinandersetzung mit DDR-Kunst am Bau und DDR-Farben.
Werke der Teilnehmenden und Janina Kracht
Papier / 30 x 30 / 3 x 3

Das Spiel mit Form und Farbe zur Schaffung neuer Wirklichkeiten.
Werke der Teilnehmenden
realisiert Xenia Gorodnia
DieโฏgestaltetenโฏElemente wurdenโฏmit der Stop-Motion-Technikโฏinโฏkurzen Filmsequenzenโฏin Szene gesetztโฏund spielerisch zu Mustern und wechselnden grafischen Figuren animiert.โฏ
Altstadt
22.10.2021 – Marktcafรฉ
โDDR โ Kunst. Erinnern auf den Spuren von Friedrich Krachtโ mit Janina Kracht
Nadine Wรถlk
Papier, Dokumentenechter Kugelschreiber / A4



Nadine Wรถlk รผber die Veranstaltung
โParallel zu dem Marktcafรฉ von Janina Kracht รผber die Entwicklung der Formensprache ihres Vaters Friedrich Kracht in der DDR im Kontext von Kunst am Bau, habe ich drei verschiedene Grafiken in blau-weiร mit dokumentenechten Kugelschreibern erarbeitet. Je lรคnger ich mich mit Friedrich Kracht und Karl-Heinz Adler beschรคftigte, umso mehr wollte ich die Grafiken stilistisch eher monochrom und in der Gesamtwirkung reduziert halten und bin von farbigen Alternativen abgerรผckt.
In diesen drei Grafiken nรคhere ich mich erst sehr portrรคthaft Friedrich Kracht, zumal ich im Internet nur ein Foto (auf Wikipedia) von ihm finden konnte. Auf den anderen zwei Grafiken entferne ich mich immer weiter von ihm, indem er am Ende nur noch Schemen- und umrisshaft zu erkennen sein wird. Dadurch gewinnt die von ihm entwickelte Formensprache nach und nach immer mehr die Oberhand und wie von ihm erdacht, brechen sich die Formen im Licht und Schatten oder verschwinden ganz in der Dunkelheit. Sie sind fortwรคhrend im Begriff, sich aufzulรถsen, neu zusammenzusetzen oder beinah zu verschwinden. Dieses spannende Wechselspiel zwischen positiven Formen und deren negativen Entsprechungen, Formen, welche oft nur รผbrig gebliebene Fragmente sind, haben mich grafisch und formal durch ihre spezielle รsthetik sehr in ihren Bann gezogen.“
Visual Facilitation
Anja Maria Eisen
Collagen auf Papier A5



Das Projekt Treffpunkt ostZONE. Erinnern und gestalten wird gefรถrdert durch das House of Resources Dresden +. Diese Maรnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sรคchsischen Landtag beschlossenen Haushaltes im Rahmen des Landesprogrammes Integrative Maรnahmen.

